„Wilhelm Tell“ – Entstehungsgeschichte (Schiller)
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Grundlagen zum Thema „Wilhelm Tell“ – Entstehungsgeschichte (Schiller)
Hast du schon mal etwas von Saxo Grammatikus gehört? Wer der Mann mit dem lustigen Namen ist, erfährst du in diesem Video. Auch, warum Wilhelm Tell eigentlich gar kein Schweizer war, sondern ein Däne. Du lernst auch, was die Leute zu Schillers Zeit so erlebten und dachten und was die Weimarer Klassik wollte. Zuletzt erfährst du, woher Schiller seine Ideen für den Tell nahm und was historisch wirklich wahr ist an der Geschichte. Viel Spaß!
Transkript „Wilhelm Tell“ – Entstehungsgeschichte (Schiller)
Ungefähr im Jahre 1802 begann Friedrich Schiller mit seinen Arbeiten am „Wilhelm Tell“. Er schrieb einem Freund: „... auch bin ich leidlich fleißig und arbeite an dem Wilhelm Tell, womit ich den Leuten den Kopf wieder warm zu machen gedenke.“
Die Weimarer Klassik
Das geschah während der Zeit der sogenannten „Weimarer Klassik“. Bis dahin hatten die Menschen dieser Epoche schon einiges erlebt. Die Ordnung zwischen Adel und Bürgertum war nicht mehr sicher. Sie begann, sich aufzulösen. Ein zentrales Ereignis der jüngsten Vergangenheit war die Französische Revolution von 1789. Auch in der Wirtschaft veränderte sich so manches: Es war der Anfang des Industriezeitalters.
Kein Wunder, dass die Menschen durch diese gesellschaftlichen Umbrüche damals verunsichert waren. Und wie so oft, wenn gravierende Veränderungen anstehen, besann man sich auf das Gute und Altbewährte. In der Klassik diente vor allem die Antike als Vorbild. Sie wurde zum Ideal von Freiheit und Menschlichkeit.
Immanuel Kant
Zugleich gab es aber auch neue philosophische Tendenzen. Ausschlaggebend war die Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Philosoph der Stunde war Immanuel Kant, der stellvertretend für die ganze Bewegung zum selbständigen Denken aufrief. Anhänger der Weimarer Klassik wollten dieser schnell verändernden Welt eine neue Ordnung entgegenstellen. Es ging nicht nur um Literatur, sondern auch um eine Sichtweise auf die Welt.
Der ideale Mensch der Weimarer Klassik war harmonisch und sittlich rein, also ohne böse Taten oder Gedanken. Er versammelte alle Werte der Menschlichkeit in sich: Tugend, Treue, Freundschaft, Bildung und Schönheit.
Jean-Jacques Rousseau
Die Schweiz war in dieser Zeit übrigens auch sehr beliebt. Sie stand für Freiheit, ehrwürdige Sitten und friedliche Bürger. Die Leute stellten sich die Schweiz als ein idyllisches Naturparadies vor. So kam es nah an die Forderung eines anderen wichtigen Philosophen: Rousseau. Sein Motto war: Zurück zur Natur, zurück zu den Ursprüngen.
Grundlagen zu Willhelm Tell
Schiller war sich also bewusst, dass seine Bearbeitung des Wilhelm Tells zu einem Publikumsmagnet werden könnte. Vielleicht gab diese Vorstellung sowie die aufmunternden Briefe von Goethe und anderen Kollegen ihm die Kraft, mit dem anspruchsvollen Stoff immer weiterzumachen. Denn die Grundlagen zu Wilhelm Tell waren natürlich nicht Schillers Idee.
Und tatsächlich ist der Wilhelm Tell ursprünglich nicht einmal ein Schweizer. Sagen von Schützen, die einen Herrscher töten, gibt es in vielen verschiedenen Ländern. Eine Sage, die dem Wilhelm Tell sehr nahe kommt, stammt vom dänischen Geschichtsschreiber Saxo Grammatikus. Er erzählt vom Schützen Palma Toko.
Dieser wird vom König Harald Blauzahn dazu gezwungen, einen Apfel vom Kopf des Sohnes zu schießen. Toko nimmt wie Tell mehrere Pfeile aus dem Köcher. Und auch er beantwortet die Frage des Königs nach den weiteren Pfeilen gleich wie Tell. Um den König zu erschießen, falls er nicht getroffen hätte. Schließlich erschießt Toko Harald aus dem Hinterhalt.
Wie genau diese nordische Sage in die Schweiz gelangt ist, ist nicht bekannt. Doch die Schweizer waren im 15. Jahrhundert auf der Suche nach ihren Wurzeln. Sie waren überzeugt, dass sie aus dem Norden stammten.
In weiteren Texten, die in der Schweiz entstanden sind, wird die Sage von Tell gemeinsam mit der Gründung der Eidgenossenschaft erzählt. So erzählt zum Beispiel das „Bundeslied“ von 1471 vom Befreiungskampf in Verbindung mit Tell. Ebenso das „Weiße Buch von Sarnen“ von 1470-1472, auch wenn der Tell dort Tall heißt.
Schillers Quellen
Die wichtigsten Quellen für Schiller waren das „Chronicon Helveticon“ von Ägidius Tschudi, entstanden um 1550, sowie die „Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft“ von Johannes Müller, 1786. In diesen Werken wird die Geschichte von Tell sowie die Gründung der Eidgenossenschaft sehr detailgetreu und chronologisch erzählt. Manche Passagen hat Schiller wörtlich übernommen.
Manche der Ereignisse sind historisch verbürgt. So hatte die Schweiz einst wirklich ein Freiheitsabkommen mit dem Kaiser. Und tatsächlich wurden die Freiheitsbriefe von König Albrecht von Österreich nicht anerkannt. Er versuchte, die Kantone zu unterwerfen. Auch der Mordanschlag auf den König, den Schiller im letzten Akt verhandelt, ist historisch.
Die Uraufführung
Ob das Bündnis der drei Kantone 1291 stattgefunden hat, was heute noch als Gründungsdatum der Schweiz gilt, ist hingegen historisch ungesichert. Im Jahr 1804 hat Schiller sein Drama beendet. Es wurde noch im gleichen Jahr in Weimar uraufgeführt und im Herbst gedruckt. Es sollte sein letztes vollendetes Schauspiel bleiben – Schiller starb 1805 im Alter von 45 Jahren.
„Wilhelm Tell“ – Entstehungsgeschichte (Schiller) Übung
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Schildere den historischen Kontext der Epoche, der Schiller dazu antrieb, den Stoff von ‚‚Wilhelm Tell‘‘ zu verarbeiten.
TippsDer Adel wurde durch das aufstrebende Bürgertum in seiner Macht bedroht. Das Bürgertum hatte eine durch Handel und Wirtschaft gestützte starke Stellung.
LösungMit dem 18. Jahrhundert machten sich langsam, ganz langsam Zeichen breit, die auf den Niedergang der Adelsklasse hinwiesen. So gewann das Bürgertum immer mehr an Einfluss. Aufklärerische Ideen verlangten Gleichberechtigung und Gerechtigkeit zwischen allen Menschen. Durch Handel, Bankenwesen und Manufakturen schaffte es das Bürgertum, an Geld, Kapital und daher an Macht zu gelangen. Daraus entwickelten sich aber auch enorme Ungleichheiten zu den zurückbleibenden Bauern und Bäuerinnen, Arbeitenden und teilweise Handwerkern. Der Unmut über die neuen Verhältnisse, über eine Verteilung von Privilegien, die über Leistung, nicht über Abstammung zu bekommen waren, brach sich schließlich in der Französischen Revolution.
Obwohl die Revolution letztlich scheiterte und sehr blutig verlief, war doch die Macht der oberen Führungsgruppen nachhaltig gebrochen. Die moralische Legitimation für das Handeln der unteren Stände kam dabei von der Idee der Aufklärung: Jede Person solle autonom ihr Denken und Handeln benutzen. Jede Person habe die Pflicht, sich zu bilden, um der eigenen Unmündigkeit zu entfliehen, die sie unter das Joch von Kirche und Adel geworfen hatte.
Da die Französische Revolution jedoch schon bald in einer blutigen Schreckensherrschaft mündete, aus der Napoleon und die folgenden Könige an die Macht kamen, wendeten sich die aufklärerisch und humanistisch geprägten Weimarer Klassiker wie Goethe und Schiller von den Repräsentant/-innen der Revolution ab. Sie setzten sich für weitgehende Gewaltlosigkeit und Pazifismus ein. Im „Wilhelm Tell“ wird die Grenze von notwendiger Gewalt und unrechtmäßiger Auflehnung festgeschrieben.
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Nenne die Quellen und Vorlagen, die Schiller für sein Drama verwendete.
TippsDie Quellen sind hier chronologisch aufgelistet: Die ursprüngliche Sage wurde wohl importiert und nach und nach in Chroniken der Schweizer wiedergegeben.
LösungDie Sage des Wilhelm Tell beruht wahrscheinlich auf älteren Sagen, denn das Motiv, dass ein Vater seinem Sohn einen Apfel vom Kopf schießen muss und sich dafür später am König rächt, ist in einigen Ländern bekannt.
- So z. B. in der „Palma Toko“ des Dänen Saxo Grammatikus. Der Held Toko wird hier von König Harald Blauzahn zur bösen Tat gezwungen. Da die Schweizer/-innen in früheren Zeiten auf der Suche nach ihren Wurzeln waren und sie im Norden zu finden glaubten, wurde diese Legende eventuell in einer bestimmten Zeit in das Bergenland überbracht.
- Zum ersten Male schriftlich fixiert findet sich die Tell-Sage dann im „Weißen Buch von Sarnen“. Das Ereignis wird hier als historisches Ereignis beschrieben, obwohl die Historizität heute angezweifelt wird.
- 1550 schrieb Ägidius Tschudi die Legende dann in sein „Chronicon Helveticon“, eindeutig verbunden mit der Entstehung der Eidgenossenschaft.
- Schiller verwendete außer diesen Quellen auch die „Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft“ von Johannes Müller, viele Passagen auch wörtlich oder im Wortlaut leicht abgeändert.
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Bestimme die Ereignisse des Dramas, die historisch gesichert und damit nicht fiktiv sind.
TippsDie Handlungen, die den König betreffen, sind recht gut dokumentiert; die des frühen Schweizer Bundes und Volkes weniger.
LösungDie Legende und der Stoff von Wilhelm Tell fußen auf historischen Ereignissen, die es tatsächlich glaubwürdig machen, dass sich bestimmte Kantone zu jener Zeit zusammengeschlossen haben. Denn als König Albrecht an den österreichischen Thron kam und damit auch deutsch-römischer König wurde, kontrollierte er nicht nur die Gebiete Österreichs, sondern auch viele umliegende Länder. Und um seinen Einfluss auszuweiten, versuchte er, die Schweizer Völker zu unterwerfen. Er missachtete die Freiheitsbriefe, die vor seiner Zeit mit den Schweizer/-innen abgeschlossen wurden und ihre Freiheit garantierten und setzte Vögte und Zwingburgen in die östlichen Kantone der Schweiz. Doch sein Eifer und Streben hielten nicht lang: Er wurde wegen Erbstreitigkeiten von seinem Neffen ermordet; auch auf diese Szene kommt Schiller am Ende des Dramas zu sprechen, als er den Königsmörder Johannes Parricida auf Tell stoßen lässt; Tell missbilligt seine Tat und verstößt ihn. Diese Stelle ist wichtig: Denn sie zeigt die Grenze, wo Revolution und Tyrannenmord notwendig oder aber moralisch falsch sind.
So weit die Geschichtsschreibung über den Herrscher. Was allerdings die Kantone damals taten, das bleibt unverbürgt: Eventuelle Hinweise in Chroniken und Registern lassen Vermutungen zu, bringen aber keine Beweise. So muss die Sage um Wilhelm Tell und den Bund der Eidgenossenschaft eine Sage bleiben.
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Gliedere den Weg der Entstehung des Dramas in die einzelnen Stationen.
TippsBevor Immanuel Kant sein Werk schreibt und die Französische Revolution ausbricht, wird der Sagenstoff um Wilhelm Tell in verschiedenen Schweizer Chroniken gesammelt.
LösungIst die Szene auf der Rütli-Wiese wirklich passiert? Wenn ja, hätten die Männer garantiert nicht geahnt, welche Symbolkraft ihr Schwur in späteren Zeiten bekommen hätte: Das Ereignis wurde nacheinander im „Weißen Buch von Sarnen“, im „Chronicon Helveticon“ und in der „Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft“, erschienen 1786, aufgenommen und zum Gründungsmythos der Schweiz hochstilisiert.
Drei Jahre nach Erscheinen der „Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft“ brach die Französische Revolution aus. Ihr Verlauf und Ausgang ernüchterte viele Denkende, auch Goethe, der sich auf der Suche nach Alternativen in die Schweiz begab. Hier fand er den Sagenstoff und brachte ihn mit nach Deutschland, um ihn seinem Freund Schiller zu überlassen. Dieser setzte sich 1802 ans Werk: Er recherchierte, schrieb, und nicht mal zwei Jahre später war das Drama fertig. Kurz drauf wurde es verlegt und in Weimar unter Goethes Regie uraufgeführt. Es sollte Schillers letztes vollendetes Werk bleiben: Er starb 1805 im Alter von nur 45 Jahren.
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Beschreibe, welches Bild der Schweiz die Menschen in der Zeit der Weimarer Klassik besaßen.
TippsIn der Literatur und Malerei der Aufklärung wurde die Schweiz oftmals als idyllischer, arkadischer Ort wahrgenommen.
LösungDie Leute stellten sich die Schweiz als fortgeschrittenes, aber immer noch idyllisches Naturparadies vor. Außerdem wurde die Freiheit der Schweiz, ihre friedliebenden Bürger/-innen und deren ehrwürdige Sitten bewundert. Damit waren die Schweizer/-innen und ihr Land ein Modell für die Anhängenden der Klassik. Jene hatten das erklärte Ziel, einen aufgeklärten Staat durch eine schrittweise Entwicklung der Gesellschaft zu schaffen, anstelle eines gewaltsamen Umsturzes, wie es bei der Französischen Revolution der Fall war. Nicht zuletzt könnte auch die Besetzung der Schweiz durch Napoleons Frankreich am 5. Mai 1798 ein Auslöser für Schiller gewesen sein, die Schweiz als Handlungsort zu wählen. Die Alte Eidgenossenschaft wurde als Tochterrepublik unter dem Namen „Helvetische Republik“ in Frankreich eingegliedert.
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Begründe, warum „Wilhelm Tell“ als klassisches Drama gilt.
TippsDie Weimarer Klassik war auf der Suche nach einem neuen Menschenbild und griff dafür auf die Antike zurück. Die Werte, die im „Wilhelm Tell“ vermittelt werden, passen zu diesem Bild.
LösungDer Niedergang des Adels, die Entdeckung von neuen Welten, die Anfänge der Industrialisierung, die Emanzipation des Bürgertums - all das führte zu einem starken Umbruch in der europäischen Wertegemeinschaft, der sich u. a. in der Französischen Revolution entlud. Die Dichter und Denker der Weimarer Klassik suchten nach Möglichkeiten, die Ideale der Aufklärung friedlich umzusetzen, ohne einen gewalttätigen und blutigen Aufstand gegen die Mächtigen loszutreten. Die Gesellschaft sollte stattdessen durch künstlerische und sittsame Erziehung weiterentwickelt werden. Sittlichkeit und Tugend, Schönheit, Freiheit, Harmonie, Ausgleich, Mut, Freundschaft, Treue - das waren die bezeichnenden Werte des neuen klassischen, humanistischen Menschen.
- Dieses Menschenbild verkörpern auch die Figuren in „Wilhelm Tell“. Tell selbst ist mutig, tugendhaft, hilfsbereit und aufrichtig, die Schweizer/-innen eine freiheitsliebende Bevölkerung.
- Das fünfaktige Drama ist auch aufgrund seines besonderen Aufbaus klassisch: Es folgt dem typischen Spannungsbogen aus Exposition, Steigerung, Höhepunkt, retardierendem Moment und Lösung.
- Schiller selbst ist kein Garant für klassisches Drama. Seine Stücke „Kabale und Liebe“ und „Die Räuber“ sind beispielsweise typische Dramen des Sturm und Drang, in denen individuelle Interessen und Gefühle sowie die Forderung nach Freiheit gegenüber den Zwängen der Ständegesellschaft im Vordergrund standen.
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