„Michael Kohlhaas“ –Entstehungsgeschichte (v. Kleist)
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Grundlagen zum Thema „Michael Kohlhaas“ –Entstehungsgeschichte (v. Kleist)
In diesem Video erfährst du, welche Quellen Heinrich von Kleist für seine Novelle "Michael Kohlhaas" benutzt hat und wann sie wie veröffentlicht wurde. Es werden sehr anschauliche Vergleiche zwischen dem historischen und dem Kleist'schen Kohlhaas gezogen.
Transkript „Michael Kohlhaas“ –Entstehungsgeschichte (v. Kleist)
Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas - Entstehungsgeschichte Königsberg. Hierhin wird Kleist im Mai 1805 geschickt, um sich zum preußischen Finanzbeamten zu qualifizieren. Hier hat er konsequenterweise mit dem Schreiben seiner Novelle begonnen. Wieso konsequenterweise?
Eines der Hauptgebiete seiner Ausbildung ist die Gewährleistung umfassender Rechtssicherheit für Gewerbetreibende. Genau diese Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit ist für den Protagonisten Michael Kohlhaas von existentieller Bedeutung.
Während seiner späteren Anstellung als Diätar der Domänenkammer, also in preußischen Provinzialbehörden, schrieb Kleist weiter an der Novelle. Schon nach weniger als zwei Jahren kündigte er, denn er hielt es bei keiner Tätigkeit lange aus.
Kleist schwankte nämlich sein Leben lang zwischen einem gesetzten und einem freien Lebensentwurf - ein seelischer Konflikt, wie ihn die meisten seiner Protagonisten, auch Michael Kohlhaas, haben. Und wenngleich die Handlung in der Frühen Neuzeit angelegt ist, wird die Novelle zur politischen Stellungnahme im Zeitalter Kleists.
“Michael Kohlhaas” geht wohl auf den historischen Fall des Hans Kohlhase zurück. Ihm waren vom sächsischen Junker Günter von Zaschwitz zwei Pferde abgenommen worden, unter dem Vorwurf, er habe sie gestohlen.
Während Kohlhase sich um Klärung bemühte, waren die Pferde wohl auch zu Ackerdiensten missbraucht worden. Zaschwitz hatte von Kohlhase sogar noch Geld für die Fütterung seiner Tiere verlangt. Es folgte eine Auseinandersetzung, dann ein Krieg zwischen Kohlhase und dem Junker, schließlich mit dem ganzen Land Sachsen. Kohlhase brannte auch Wittenberg nieder.
1534 schloss man einen Vergleich mit ihm und sprach ihm eine große Summe Geld zu. Nachdem der damalige Kurfürst von Sachsen den Rechtsspruch jedoch für nichtig erklärte, begann Kohlhase einen regelrechten Guerilla-Krieg zu führen - bis er gefasst wurde.
Am 22.03.1540 erhält er sein Todesurteil, noch am selben Tag erfolgt die Hinrichtung durch Rädern. Das heißt, ihm wurden mit einem Wagenrad alle Knochen gebrochen.
Kleist hat in seiner Novelle viele Elemente der historischen Vorgänge übernommen: die Zurückhaltung und Verelendung der Pferde, die Fehde gegen Sachsen und den Vertrag mit dem sächsischen Kurfürsten, den dieser bricht. Außerdem Luthers Brief, die Drohung mit der Strafe Gottes und den nächtlichen Besuch bei Luther, sowie den Tag der Hinrichtung.
Kleist nimmt aber auch Veränderungen vor, zum Beispiel am Protagonisten. Kleists Interesse gilt dem Menschen und seinem seelischen Konflikt. Der reale Kohlhase war ein armer Händler, für den der Verlust der beiden Pferde existentiell gewesen wäre. Der literarische Kohlhaas ist ein recht vermögendes Mitglied des Bürgertums.
Kohlhase wird unterstellt, er hätte die Pferde gestohlen. Von Kohlhaas verlangen Junker und Schlossvogt unberechtigt Zoll und Passierschein. Kohlhases Frau flüchtet, als ihr Mann gefangen genommen wird. Kohlhaas´ Frau stirbt, weil sie ihrem Mann helfen möchte.
Kohlhase hat wegen individueller Interessen gekämpft. Kohlhaas wird zum Kämpfer um das Recht an sich stilisiert. Kleist lebt in der Zeit der Aufklärung. Deren zentraler Gedanke ist die Mündigkeit des Menschen bzw. das Gebrauchen des eigenen Verstandes. Das Bürgertum fordert Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit.
Zu dieser Zeit - Ende des 18. Jahrhunderts - leben die ca. 300 deutschen Fürsten in Prunk und Luxus, während der größte Teil der Bevölkerung verarmt ist. Michael Kohlhaas ist also ein aktueller und brisanter Text, als er veröffentlicht wird.
Kleists enger Freund Ernst von Pfuel hatte großen Anteil an seiner literarischen Produktion. Er soll Kleist nach dessen Rückkehr nach Berlin im Frühsommer 1804 “die Geschichte von Kohlhaas” erzählt haben.
Es kann gut sein, dass der Freund den Dichter für ein neues literarisches Projekt begeistern wollte, das aufgrund des vorliegenden Quellenmaterials leichter zu bewältigen sein würde als ein gescheitertes Projekt im Vorjahr. Er wusste bereits, dass die Grundkonstellation des Stoffes und der Charakter der Hauptfigur Kleist ansprechen würden.
1808 veröffentlichte Kleist einen längeren Teil der Erzählung in der sechsten Ausgabe des “Phöbus”, seiner eigenen Literaturzeitschrift. Dieses sogenannte Phöbus-Fragment bricht ab, nachdem Kohlhaas nach der Bestattung seiner Frau zur Tronkenburg aufbricht.
Hier fehlt die Intervention Heinrich von Geusaus zugunsten von Kohlhaas. Anscheinend entschied sich Kleist erst im Zuge der Fertigstellung der Erzählung für das zentrale Handlungsmoment: die unheilvolle Überlagerung von politischer Verantwortung durch private Interessen.
Da die Zeitschrift “Phöbus” in Sachsen erschien, war Kleist gezwungen, jene Teile, die für das sächsische Herrscherhaus nicht gerade schmeichelhaft waren, zu verschleiern. Er verlegte für diesen Druck die ganze Handlung also nach Brandenburg.
Von Kleists erster Kenntnisnahme des Stoffs durch Ernst von Pfuel bis zur vollständigen Veröffentlichung des Textes dauert es insgesamt 6 Jahre.
1810 erschien die komplette Novelle mit ihrem ursprünglichen Handlungsschauplatz im Band “Erzählungen”. Dieser wurde also nach Kleists Übersiedelung nach Berlin, der letzten Station seines Lebens, veröffentlicht. Im gleichem Band erschienen auch die berühmten Novellen “Die Marquise von O...” und “Das Erdbeben in Chile"
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