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„Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner)

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Deutsch-Team
„Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner)
lernst du in der Sekundarstufe 5. Klasse - 6. Klasse - 7. Klasse

Grundlagen zum Thema „Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner)

Hat Büchner die Figur des Lenz erfunden oder gab es eine Vorlage? Und wenn ja, woher hatte er die Informationen? Das Video berichtet von der Vor- und Parallelgeschichte zum LENZ. Es erklärt, wie Büchner an das Material über den psychischen Zusammenbruch des Dichters Lenz gekommen ist. Es erklärt auch, warum der Reformpfarrer Oberlin das Bedürfnis hatte, sich durch einen persönlichen Bericht über den Aufenthalt des Dichters Lenz persönlich abzusichern. Nach dem Video weist du, warum sich Büchner für den Sturm und Drang Dichter interessierte. Büchner war ebenso Mediziner und Naturwissenschaftler. Es wird im Video erklärt, welchen Einfluss das auf die Textentstehung hatte.

Transkript „Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner)

Georg Büchner: Lenz - Entstehungsgeschichte

Im März 1835 muss, der in Deutschland wegen Hochverrates steckbrieflich gesuchte Georg Büchner, nach Straßburg fliehen. Denn als Mitautor des Flugblatts “Hessischer Landbote” droht ihm die Verhaftung. Hier thematisierten die Autoren vor allem die sozialen Missstände der Zeit sowie die Macht der Fürsten.

Bei seinem früheren Studienaufenthalt in der französischen Stadt Straßburg hatte er die Brüder August und Adolph Stoeber kennengelernt. Sie überlassen ihm umfangreiches Material zum Sturm und Drang-Dichter Reinhold Lenz und dem Reformpfarrer Johann Friedrich Oberlin. Es handelt sich um einen Bericht des Pfarrers über einen 20tägigen Aufenthalt des geisteskranken Schriftstellers bei ihm in den Vogesen.

Der 1740 geborene Oberlin hatte sich einen Namen als sog. Reform-Pfarrer gemacht. In seiner elsässischen Gemeinde hatte er deswegen immer wieder Schwierigkeiten mit der Landbevölkerung. Der Dichter Lenz ist vom 20. Januar bis zum 8. Februar 1778 bei ihm zu Gast. Trotz intensiver Bemühungen verschlechtert sich sein Zustand. Oberlin sieht sich schließlich gezwungen, den an paranoider Schizophrenie erkrankten Lenz nach Straßburg zu schicken. Dieser Vorfall bedeutet ein Misserfolg für den Pfarrer. Dabei trifft ihn keinerlei Schuld an der Krankheit von Lenz. Um sich zu entlasten, zeichnet er alle Einzelheiten über Lenz Aufenthalt auf.

Was Büchner bewog aus diesem Material eine Erzählung zu machen, ist nicht eindeutig belegt. Einige Quellen deuten auf die Verarbeitung eigener Depressionen hin. Zum Beispiel ein Brief an seine Verlobte Wilhelmine Jeagle: “Meine geistigen Kräfte sind gänzlich zerrüttet”, schreibt er ihr.

Wahrscheinlich handelt es sich jedoch um eine Auftragsarbeit. Büchners Herausgeber Karl Gutzkow fordert nach dem Erfolg von “Dantons Tod” neues Material. Büchner bietet ihm eine Novelle über Lenz an. Büchner kannte und schätzte die Texte des Sturm und Drang-Dichters Lenz. Er sah in Lenz’ Schaffen ein Gegenprogramm zu Goethe uind Schillers Weimarer Idealismus. Sein Interesse an Lenz und dessen Wahnzuständen ist allerdings nicht nur literarisch. Es ist das Interesse eines Mediziners und Naturforschers.

Etwa zeitgleich mit der Erzählung Lenz arbeitet Büchner im Winter 1835/36 an seiner Dissertation über die Schädelnerven einer Karpfenart. Vergleichbar mit der Vorgehensweise eines Gerichtsmediziner betreibt Büchner an dem geisteskranken Lenz eine Art wissenschaftlicher Autopsie. Diese naturwissenschaftliche Sichtweise verbindet sich bei Büchner mit einer poetischen Sprache, die bis heute modern wirkt. Die immer wieder auftauchende Formel: "Es war ihm alles so klein, so nahe, so naß, er hätte die Erde hinter den Ofen setzen mögen" -- "Es war als ginge ihm was nach" -- "Es war ihm als sei er blind" -- "Es war ihm als müsse er sich auflösen" usw. Büchner übernimmt wortwörtlich ganze Passagen aus Oberlins Bericht über Lenz psychischen Zusammenbruch.

Ein Textvergleich allerdings zeigt: Büchner hat nicht einfach abgeschrieben. Büchner hat den Text künstlerisch verändert. Oberlin schreibt in der Ich-Form, Büchner wählt die distanziertere ER-Form. Büchner zerlegt den Text in kurze Sätze. Teilweise bleiben nur unvollständige Fragmente stehen. Sie zeigen anschaulich, wie zerrissen Lenz Seele ist. Und schließlich hat Büchner ganze Passagen aus Oberlins Aufzeichnungen gestrichen, dafür Eigenes hinzugefügt.

Oberlin berichtet von einem Selbstmordversuch Lenz mit einer Schere. Büchner ließ dies weg. Dafür hat er das berühmte Streitgespräch über Kunst zwischen Lenz und seinem Freund Kaufmann eingefügt. Büchner legt Lenz seine eigene Auffassung eines modernen Realismus in den Mund. Kaufmann vertritt den Idealismus eines Schiller. Büchner lehnte das ab.

1 Kommentar
  1. Sehr anschaulich. Leider ist die Stimme nicht so schön anzuhören weil sie immer wieder abgehackt wird.
    Mit der Übung danach habe ich auch meine Probleme da ich nicht finde das nur eine Antwort richtig ist. LG

    Von Julialaura, vor fast 10 Jahren

„Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner) Übung

Du möchtest dein gelerntes Wissen anwenden? Mit den Aufgaben zum Video „Lenz“ – Entstehungsgeschichte (Büchner) kannst du es wiederholen und üben.
  • Beschreibe die historischen Ereignisse, die der Erzählung Lenz zugrunde liegen.

    Tipps

    Auf welchen historischen Ereignissen beruht die Erzählung? Büchner hat viele Passagen aus der Vorlage Oberlins wörtlich übernommen!

    Lösung

    Die Figur des Lenz ist nach einer historischen Vorlage gestaltet. Der Schriftsteller Jakob Reinhold Lenz kam im Winter 1778 in die Vogesen und stattete dem berühmten protestantischen Reformpfarrer Oberlin einen Besuch ab. Zu jener Zeit war die paranoide Schizophrenie, die sich bei ihm noch schwer verschlimmern sollte, bereits ausgebrochen. Er suchte den Geistlichen auf, um bei ihm Hilfe zu erhalten.

    Da Oberlin ihm jedoch wenig helfen konnte und sich Lenz' Zustand stetig verschlechterte, musste Oberlin ihn nach Straßburg weiterschicken. Um sich und Lenz freizusprechen und sein Gewissen zu erleichtern, zeichnete Oberlin die Vorfälle in allen Einzelheiten auf. Der Vorfall war ein großer Misserfolg für den Pfarrer, der sich damals mangels ausgebildeter Psycholog/-innen noch um Fälle solcher Art kümmerte.

  • Stelle dar, inwiefern sich in der Erzählung Büchners als Gegenprogramm zum Idealismus manifestiert.

    Tipps

    Lenz war zwar ein Dichter des Sturm und Drang, doch unterschied er sich in einigen Ansichten von seinen Kollegen Goethe und Schiller. Dieses Motiv griff Büchner auf.

    Lösung

    Die Zeiten, zu denen Büchner lebte, waren bewegt: Er selbst wurde mit anderen Schriftstellenden wie Heinrich Heine zur Literatur des Jungen Deutschlands gezählt, die schließlich in der Bewegung der Märzrevolution mündete. Sie attackierten die Denkweise der vorangegangenen Stilrichtungen der Weimarer Klassik und der Romantik. Denn diese beiden Epochen waren zu sehr auf die Harmonie, auf die metaphysische Aufgabe der dichtenden Person zur Reinigung und Rettung des Menschen fixiert, und vergaßen darüber die politischen und wirtschaftlichen Dimensionen des Lebens.

    Darin sah Büchner sein großes Gegenprogramm: Im „Lenz“ lässt er Kaufmann als Vertreter des Idealismus und Lenz selbst als den Verkünder des radikalen Realismus auftreten. Seine eigene Position legt er dabei Lenz in den Mund. Er spricht davon, nicht nur das Schöne, Perfekte zu einem Kunstwerk hochzustilisieren und dadurch eine Harmonie zwischen Mensch und Gott zu finden: Büchner will vor allem eine realistische, objektive Darstellung der Realität, eine Abbildung in allen Facetten, um später Gut und Schlecht bewerten zu können. Damit leitete Büchner die Epochen des Realismus und Naturalismus ein.

  • Untersuche den folgenden Textausschnitt und beschreibe, inwiefern sich Büchners Text von der Originalvorlage unterscheidet.

    Tipps

    Worin ähneln sich Oberlins und Büchners Texte? Hat Büchner Passagen abgeschrieben? Welche Passagen fügte er hinzu?

    Wie musste er die Erzählstruktur umschreiben, um aus dem persönlichen Bericht eine literarische Erzählung zu machen?

    Lösung

    Der Lenz entstand in einer vermutlich sehr kurzen Zeit, in der Büchner nebenbei seine Dissertation fertigstellte. Wie war das zu schaffen?

    • Er hatte sich in seiner Erzählung auf die Originalaufzeichnungen des Pfarrers Oberlin gestützt. Dieser hatte den Vorfall, der ihm mit Lenz widerfuhr, detailreich festgehalten. Oberlin selbst war dabei kein schlechter Schriftsteller. Als literarische Erzählung taugte sein Text jedoch nicht: Er schrieb einen Bericht aus der Ich-Perspektive; außerdem hatte er im Vergleich zu Büchner einen etwas schwerfälligen Schreibstil.
    • Büchner übernahm viele Passagen des Berichts wörtlich. Manche dichtete er um. Er schuf eine auktoriale Erzählstimme, die häufig zwischen innerem Erleben von Lenz und äußerer Handlung hin und her sprang. Er kürzte die Sätze und glich den Stil dem jeweiligen Geisteszustand von Lenz an: Kurz, schnell und fragmentarisch bei Verwirrung, ruhig und geformt bei seelischer Besserung.
    • Außerdem ließ Büchner eine Passage über den Selbstmordversuch von Lenz mittels einer Schere weg, fügte dahingegen das Streitgespräch über Ästhetik ein, das sein Gegenprogramm zum Idealismus darstellt.
    • Außerdem verbindet sich im psychologischen Sezieren von Lenz' Geist Büchners naturwissenschaftliche Sichtweise mit seinem poetischen Schaffen, und formte dabei den Realismus heraus, als dessen früher Vater Büchner benannt werden könnte.
    Quelle: Büchner, Georg (1999): Lenz. S. 109.

  • Gliedere die Entstehungsgeschichte des Werkes in Beziehung zu Büchners Leben.

    Tipps

    Der „Hessische Landbote“ war Büchners erste Schrift, die ihm auch zu trauriger Berühmtheit verhalf: Er wurde nach der Veröffentlichung wegen Hochverrats gesucht und musste fliehen.

    Lösung

    Gehen wir chronologisch vor, können wir die Stationen der Ereignisse um die Entstehung des „Lenz“ folgendermaßen ordnen:

    1. Der Pfarrer Oberlin wird von dem geisteskranken Schriftsteller Lenz im Jahre 1778 in seiner elsässischen Heimat aufgesucht.
    2. Da er nicht helfen kann, schickt er Lenz weiter nach Straßburg und zeichnet die Vorfälle genau auf.
    3. In Straßburg gelangt Büchner Jahre später durch Studienkollegen in den Besitz der Aufzeichnungen.
    4. Als er wenig später in Hessen den „Hessischen Landboten“ schreibt, muss er wegen Hochverrats erneut nach Straßburg gehen.
    5. In Straßburg entsteht in ihm auch unter Druck seines Verlegers Karl Gutzkow die Idee, den „Lenz“ literarisch umzuschreiben.
    6. Er fängt an zu schreiben und bezieht dabei zeitgleich den naturwissenschaftlichen Blick mit ein, den er durch seine Dissertation über die Schädelnerven einer Karpfenart erlangt.
    7. Seine Dissertation vollendet Büchner, der „Lenz“ jedoch bleibt ein Fragment.
  • Fasse zusammen, welche Motivation Büchner zum Schreiben von „Lenz“ hatte.

    Tipps

    Meist haben Dichter/-innen mehr als nur einen Antrieb, der sie zum Schreiben bewegt: Äußerer Druck und inneres Interesse müssen sich meist verbinden.

    Lösung

    Welche Beweggründe Büchner zum Schreiben von „Lenz“ hatte, können wir nur aus den Briefen und seinen Lebensumständen mutmaßen. Dabei können wir verschiedene Dimensionen von Motivation unterscheiden:

    • Die finanzielle Motivation: Sein Verleger Karl Gutzkow hatte in Briefen wiederholt neues Material nach dem Erscheinen von „Dantons Tod“ gefordert. Büchner finanzierte sich mit dem Geld. Außerdem wollte er sich einen Namen machen. Damit war das Werk wahrscheinlich eine Auftragsarbeit.
    • Die psychologische Dimension: Büchner schrieb in einem Brief an seine Verlobte, dass sich seine psychischen Kräfte dem Ende zuneigten. Durch das Verarbeiten des Themas um Geisteskrankheit, Depression und innere Resignation könnte er versucht haben, sich selbst über seine Ausgezehrtheit und Sinnentleertheit hinwegzuhelfen.
    • Die literarische Dimension: Die im „Lenz“ verfasste Gegenposition zum Idealismus stellte Büchners Kritik an der Kunstauffassung der vorherrschenden Stimmen der Weimarer Republik und der Romantik dar.

  • Untersuche den folgenden Briefausschnitt und erkläre, in welcher Situation sich Büchner zu jener Zeit befand.

    Tipps

    Über viele Umwege und Zufälle wurde das Material des „Lenz“ schließlich in eine Erzählung gegossen: Komischerweise stand dabei immer die Stadt Straßburg in Verbindung.

    Lösung

    Der obige Briefausschnitt von Büchner an seine Familie weist selbst schon darauf hin, dass Büchner den „Lenz“ in einem Zusammenhang mit seiner wissenschaftlichen Dissertation sieht: Das Pathologische, Medizinische steht im Fokus, der realistische, objektive Blick wurde in dieser Zeit geschärft. Doch wie kam es dazu?

    • In seiner früheren Studienzeit hatte Büchner die Brüder August und Adolph Stoeber in Straßburg kennengelernt. Diese übergaben dem begeisterten Literaten Aufzeichnungen über den ihm schon bekannten Dichter des Sturm und Drang Jakob Reinhold Lenz. Dieser war nach einer Phase kreativen Schaffens an paranoider Schizophrenie erkrankt. Das symptomatische Bild wird durchgehend im „Lenz“ gezeichnet.
    • Büchner schrieb in seiner ersten politischen Phase und nach Mitgliedschaft in einigen Studierendenverbindungen die revolutionäre Flugschrift „Der Hessische Landbote“, die mit dem Spruch Friede den Hütten, Krieg den Palästen zu Aufruhr und Aufstand aufrief. Für Büchner hatte das voraussehbare Folgen: Er wurde wegen Hochverrats steckbrieflich gesucht und musste wieder nach Straßburg fliehen.
    • Nachdem er zur Finanzierung seiner Flucht das Drama „Dantons Tod“ über die Französische Revolution verfasst hatte, verlangte sein Verleger Karl Gutzkow neues Material. Zeitgleich begann Büchner in seinem stürmischen Leben, an seiner Dissertation zu arbeiten, die er zur Erreichung der Doktorwürde an der philosophischen Fakultät der Züricher Universität schrieb. Er hatte sich dafür nach Stoff zu einer Abhandlung über einen philosophischen oder naturhistorischen Gegenstand umgesehen und diesen schließlich in den Schädelnerven einer Karpfenart gefunden.
    Quelle: Büchner, Georg (1999): Briefe von und an Georg Büchner. Deutscher Klassiker Verlag. S. 64.

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