Lenz (Büchner)
„Lenz“ ist eine Erzählung des deutschen Schriftstellers Georg Büchner. Sie ist zeitlich dem Vormärz zuzuordnen, weist jedoch auch realistische Züge auf. Büchner beschreibt und verarbeitet in seinem Werk den Geisteszustand des schizophrenen Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz.
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Entstehungsgeschichte
Büchners Werk „Lenz“ erschien im Jahr 1835 und lässt sich in der Literatur der Restauration (1815–1850) verorten: Bis heute gilt Georg Büchner als einer der bedeutendsten Vertreter des Vormärz.
Die Entstehungsgeschichte von Büchners einzigem Erzähltext lässt sich heute gut nachverfolgen. Studiert hatte Büchner zunächst in Straßburg, wo er sich mit August Stoeber befreundete. Nach der Rückkehr nach Deutschland veröffentlichte Büchner sein Drama „Dantons Tod“. Doch schon bald sah er sich gezwungen, das Land zu verlassen, da seine offenkundige Kritik an den sozialen Missständen in der Heimat nicht gern gesehen worden war. So floh Büchner zurück nach Straßburg.
Hier erhielt er von Stoeber den zugrunde liegenden historischen Stoff und verarbeitete ihn literarisch. Die erhaltenen Aufzeichnungen umfassten einen Bericht des Reformpfarrers Oberlin. Dieser hatte im Jahr 1778 den psychisch erkrankten Jakob Michael Reinhold Lenz in seine Obhut genommen und rechtfertigte darin die misslungene Genesung. Für Büchner war der Sturm und Drang Dramatiker Lenz literarisches Vorbild und poetischer Lehrmeister, dessen soziale Reformideen seiner Zeit weit voraus gewesen waren. Es wird vermutet, dass der „Lenz“ eine Auftragsarbeit für Büchners Herausgeber Karl Gutzkow war.
Inhaltsangabe
Der Inhalt des Werkes basiert auf der historischen Begebenheit von Lenz' 20-tägigem Besuch bei Oberlin. Die Erzählung beginnt mit Lenz' Wanderung durch die Vogesen zum Haus des Pfarrers. Für den von Ängsten und Wahnvorstellungen geplagten Reinhold Lenz ist diese Reise durch die Natur verstörend. Erst der warme Empfang und die Gesellschaft im Pfarrhaus verschaffen ihm das Gefühl von Geborgenheit und Ruhe. Beim Besuch seines Freundes Kaufmann kommt es jedoch zum Streit, dem sogenannten Ästhetikgespräch, und Lenz wird von erneuter Unruhe gepackt. Den Wendepunkt stellt die Nacht in einer Berghütte dar, da sich Lenz der dunklen Übermacht des Wahnsinns bewusst wird. In seinem sich zunehmend verschlechternden Zustand beginnt Lenz die Existenz Gottes zu leugnen. Bald sieht Oberlin, der tiefes Mitleid für den Kranken empfindet, keine andere Lösung, als Lenz nach Straßburg zu bringen.
Figurenkonstellation
In seiner Erzählung konzentriert sich Büchner auf zwei Figuren:
- den Wahnsinn verkörpernden Lenz und
- Oberlin, der für die „Vernunft“ steht.
Der Leser erhält nur spärliche Informationen über die Protagonisten. Büchner schildert Lenz' entfremdeten und desorientierten Geisteszustand ohne dabei eine Wertung vorzunehmen. Da er zunächst Ruhe und Schutz bei Oberlin findet, wird dieser für Lenz zu einer gütigen Vaterfigur. Oberlin wiederum kapituliert vor der Abhängigkeit Lenz'. Die übrigen Figuren treten jeweils nur in einer Episode von Büchners Erzählung auf. Lenz' Freund Kaufmann verkörpert den Idealismus der Weimarer Klassik. Der Wunderheiler sowie das tote Kind heben die erfolglose Sinnsuche des erkrankten Protagonisten hervor.
Interpretationsansatz und Rezeption
Doch wie entwickelte sich die Rezeption von Büchners Erzählung im Laufe der Geschichte? Welche unterschiedlichen Interpretationen wurden entwickelt? In seiner literarischen Verarbeitung von Oberlins Rechtfertigungsbericht verbindet der Schriftsteller und Wissenschaftler Büchner die distanziert-kühle Betrachtung mit einer poetischen Sprache. Auch fügt er das Streitgespräch zwischen Lenz und Kaufmann ein, um seine persönliche Auffassung vom modernen Realismus und gegen den Idealismus der Weimarer Klassik zu vertreten. Im sogenannten Ästhetikgespräch verteidigt die Figur Lenz Büchners antiidealistische Kunsttheorie: Ein Künstler sollte die Wirklichkeit nicht besser darstellen, sondern aufzeigen, wie sie tatsächlich ist.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 1837 verfasste Büchner noch die Dramen „Woyzeck“ und „Leonce und Lena“. Genau wie sein Vorbild Reinhold Lenz verstarb Georg Büchner sehr jung. „Lenz“ blieb ein Fragment, das originale Manuskript verschollen. Auch Büchner gilt, genau wie Lenz, als Vorläufer moderner Strömungen und Reformideen. Zunächst im Schatten der Weimarer Klassik wird Büchner erst später von den Naturalisten wiederentdeckt und von Vertretern wie Gerhart Hauptmann als Genie gefeiert. Ab 1900 zählt „Lenz“ zu den Schlüsseltexten der Moderne.
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