„Die Vermessung der Welt“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kehlmann)
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Grundlagen zum Thema „Die Vermessung der Welt“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kehlmann)
Der Roman "Die Vermessung der Welt" wurde sehr schnell zu einem nationalen und internationalen Bestseller. Neben der Rezeptionsgeschichte sollst du in diesem Video mit dem Motiv des Alterns und der Rolle der Wissenschaft zur Goethezeit auch zwei Interpretationsansätze kennen lernen. Viel Spaß beim Dazulernen!
Transkript „Die Vermessung der Welt“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kehlmann)
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt - Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte “Ich habe überhaupt keine Erklärung für diesen Erfolg des Buches, ich stehe erstaunt und fassungslos vor diesem Phänomen.” So lautet Daniel Kehlmanns Anwort auf die Frage nach der Erklärung für den großen Erfolg seines Romans “Die Vermessung der Welt”. Die Rezeptionsgeschichte dieses Romans lässt sich relativ kurz zusammenfassen, da es sich um ein noch sehr junges Werk handelt. “Die Vermessung der Welt” entwickelte sich sehr schnell zu einem enormen Bestseller. Es erscheint im Herbst 2005. Bereits im Juni 2007 sind eine Million gebundene Exemplare verkauft. Als Taschenbuch erscheint der Text im März 2008. Bis März 2009 sind 1,5 Millionen Stück über die Ladentische gegangen. Bis heute hat sich der Roman allein in Deutschland über 2 Millionen Mal verkauft. Das Buch stellt sogar den Verkaufserfolg von rekordverdächtigen Werken wie "Die Blechtrommel" von Günter Grass oder "Das Parfüm" von Patrick Süskind bei weitem in den Schatten. Er hält sich für volle 35 Wochen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.
Der österreichische Schriftsteller Thomas Glavinic parodiert den Erfolg des Werkes bei Publikum und Kritikern in seinem Roman "Das bin doch ich" von 2007. In diesem Text lässt er den Autor Daniel Kehlmann dem Icherzähler Glavinic über die ständig emporschnellenden Verkaufszahlen des Romans berichten. Dies erregt natürlich den Neid des Icherzählers. Auch der weltweite Erfolg ist groß. "Die Vermessung der Welt" wurde in über 40 Sprachen übersetzt. Allerdings kann man Unterschiede ausmachen: In den USA ist die Reaktion eher zurückhaltend. Viel größer ist der Erfolg z. B. in Großbritannien, Holland, Schweden, Italien und Frankreich. In Spanien und Südamerika ist der Roman hingegen nicht erfolgreich gewesen. Das ist überraschend, da der Roman doch über weite Strecken in Südamerika spielt und Humboldt dort sehr hoch angesehen ist.
Der Erfolg des Romans lässt sich auch damit erklären, dass er verschiedene Themen verbindet und viele Interpretationsmöglichkeiten bietet. Zwei besonders naheliegende Möglichkeiten sind die Thematik des Alterns und die Rolle der Wissenschaft zur Goethezeit.
Vom Altern und vom Tod ist im Roman oft die Rede. Auch die beiden berühmten Wissenschaftler können sich dem Alterungsprozess nicht entziehen. Der Philosoph Immanuel Kant wird schonungslos in seiner altersbedingten Senilität vorgeführt: Auch ein Forscher-Genie altert. Seine einst so herausragenden geistigen Kräften lassen nach. Der Mensch ist dem unausweichlichen Tod machtlos ausgeliefert. Gauß bezeichnet es als "Gottes bösen Humor", dass ein Geist wie seiner in einem kränklichen Körper eingesperrt ist. Diese Erkenntnis ist für ihn desillusionierend. Sogar den Freitod als letzten Ausweg zieht er in Erwägung. Er hofft auf eine letzte, alles umfassende Erkenntnis im Tod. Er bleibt also selbst im Gedanken an das eigene Ende ganz wissbegieriger Forscher.
Humboldt respektiert die Totenruhe und andere Bräuche der Indianer nicht. Seine hohe geistige Begabung hat ein tragisches Element. Das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit wird durch Intelligenz gesteigert.
Und wie sieht es mit der Rolle der Wissenschaft aus? In der Zeit Goethes, in der der Roman spielt, gibt es wenig Platz für Glaube und Aberglaube. Hoch angesehen sind die Ideale der Selbstbestimmung, der Vernunft und Logik, also einer rationalen Denkweise. Dies geht auf die Epoche der Aufklärung zurück, deren herausragendster philosophischer Vertreter Immanuel Kant war. Die selbstbestimmte Bedienung des eigenen Verstandes war das oberste Ziel. Aus diesem Grund versuchte man, der Bevormundung durch Kirche und Adel den Rücken zu kehren. Dies zeigt sich vor allem in der Figur Humboldts. Er ist gut gekleidet, sehr gebildet und stets von dem Gedanken erfüllt, den Menschen durch Forschung zu einem Erkenntnisgewinn zu verhelfen. Er glaubt, dass die Wissenschaft bessere Zeiten für die Menschheit bringen werden. Er spekuliert sogar darauf, dass sie eines Tages den Tod besiegen kann.
Es geht im Roman aber auch um die Frage des Deutschseins, um die deutsche Mentalität. Welche Wesensmerkmale teilen die Deutschen miteinander zur Goethezeit? Humboldt besipielsweise lässt sich den Anblick einer Sonnenfinsternis entgehen, weil er seine Messungen nicht aus diesem Grunde unterbrechen will. Darauf fragt ihn sein Begleiter Bonpland, ob er denn immer so deutsch sein müsse.
Daniel Kehlmann selbst sieht dies als eines der zentralen Motive des Romans. Er beschreibt ihn als “[e]ine satirische, spielerische Auseinandersetzung mit dem, was es heißt, deutsch zu sein - auch natürlich mit dem, was man, ganz unironisch, die große deutsche Kultur nennen kann”.
„Die Vermessung der Welt“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Kehlmann) Übung
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Gib an, in welchen Regionen der Roman Erfolg hatte und in welchen nicht.
TippsIn den meisten europäischen Ländern war „Die Vermessung der Welt” erfolgreich.
LösungAllgemein kann man sagen, dass „Die Vermessung der Welt” ein Erfolg für Daniel Kehlmann war. Das Buch wurde in über 40 Sprachen übersetzt.
- In den USA war der Roman allerdings nicht besonders erfolgreich. Das Gleiche gilt für Spanien und Südamerika. Das verwundert ein wenig, da Alexander von Humboldt, eine der Hauptfiguren, in Südamerika hoch angesehen ist. Außerdem ist Südamerika der Handlungsort großer Teile des Buches.
- In Großbritannien, Frankreich und Italien hatte der Roman großen Erfolg. Das gilt auch für andere europäische Länder wie Schweden und die Niederlande.
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Gib wieder, wie der Autor die Thematik des Alterns im Roman verarbeitet hat.
TippsÜberlege noch einmal, wer nach Südamerika reist.
LösungDas Altern wird im Roman „Die Vermessung der Welt” an verschiedenen Stellen thematisiert:
- Immanuel Kant wird in seiner altersbedingten Senilität gezeigt.
- Alexander von Humboldt ist sich seiner eigenen Vergänglichkeit bewusst. Außerdem freut er sich über den Tod seiner Mutter.
- Er respektiert außerdem nicht die Totenruhe der Indigenen.
- Carl Friedrich Gauß spürt, dass sein Geist in einem alten Körper eingesperrt ist. Er zieht den Freitod in Betracht, wählt diesen aber nicht.
- Der Tod seiner Frau Johanna ist für ihn ebenfalls ein Schicksalsschlag, da er dadurch die ungeliebte Minna heiraten muss.
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Arbeite heraus, mit welchen stereotypen Eigenschaften Kehlmann das Bild der Lateinamerikaner/-innen und der Deutschen zeichnet.
TippsÜberlege noch einmal, wer immer in Uniform auftritt.
Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas vertraut in vielen Dingen eher ihrem Gefühl. Hilft dir das weiter?
LösungDaniel Kehlmann selbst hat sich in Interviews zur Thematik des Deutschseins geäußert. Untersucht man den Roman genauer, kann man eine Einteilung der Darstellung vornehmen.
- Als „deutsch” anzusehen sind Humboldts Uniform, seine Pedanterie und Regelkonformität. Er arbeitet akribisch und versucht, für alles eine Erklärung zu finden. Nicht selten fällt ihm dabei auf, dass er Dinge anders tut als die indigene Bevölkerung Lateinamerikas.
- Diese glaubt eher an Mythologie und Intuition. Außerdem hat ein Teil von ihr einen ausgeprägten Aberglauben.
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Erläutere, inwiefern die Idee der Aufklärung im Roman verarbeitet wurde.
TippsEmpirismus und Rationalismus waren zwei unterschiedliche philosophische Strömungen innerhalb der Aufklärung.
LösungDer Roman „Die Vermessung der Welt” von Daniel Kehlmann ist 2005 erschienen. Bei den Hauptfiguren sind jedoch starke Züge des aufklärerischen Denkens erkennbar, da der Roman im frühen 19. Jahrhundert spielt:
- Menschen sollten sich dem aufklärerischen Denken folgend ihres eigenen Verstandes bedienen. Im Roman versuchen zwei Wissenschaftler, die Welt zu erklären. Daher leitet sich auch der Titel ab.
- Alexander von Humboldt glaubt nicht, dass sich in der Höhle das „Reich der Toten” befindet, da er von der Vernunft geleitet ist.
- Alexander von Humboldt setzt sich gegen die Sklaverei ein. Der Einsatz für Menschenrechte war ein wichtiges und teilweise neues Thema während der Aufklärung.
- Die beiden Hauptfiguren versuchen, neue Forschungsansätze zu bilden, da traditionelle Ideen kritisch überprüft werden sollten.
- Alexander von Humboldt forscht durch Experimente. Der Empirismus war im Vormarsch. Das Wort bedeutet so viel wie der Erfahrung folgend.
- Eine gegensätzlicher Ansatz ist der Rationalismus. Die Gegenfigur Humboldts, Carl Friedrich Gauß, überprüft Theorien durch Berechnungen.
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Fasse zusammen, welche Rolle die Wissenschaft in der Goethezeit spielte.
TippsÜberlege noch einmal, wer eine Antwort zur Frage: Was ist Aufklärung? geschrieben hat.
LösungAlexander von Humboldt ist ein Repräsentant des aufklärerischen Gedankens und vertrat die Ideale der Selbstbestimmung, Vernunft und Logik. Er will den Menschen durch die Forschung zum Erkenntnisgewinn verhelfen. Sowohl äußerlich als auch innerlich ist er davon geprägt. Er ist gut gekleidet und sehr gebildet. Sein unstillbarer Wissensdurst geht sogar so weit, dass er glaubt, die Erkenntnis könne eines Tages den Tod besiegen. Dabei blieb wenig Platz für Glaube und Aberglaube. Sowohl Alexander von Humboldt als auch Carl Friedrich Gauß waren nicht gläubig.
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Bestimme mögliche Funktionen des sprachlichen Stils von „Die Vermessung der Welt”.
TippsÜberlege noch einmal, ob im Roman direkte oder indirekte Rede vorherrscht.
Sind im Roman viele Wortwitze enthalten?
LösungEin Interview mit Daniel Kehlmann trägt sogar den Titel „Ich wollte schreiben wie ein wild gewordener Historiker”.
- Mit der indirekten Rede wird ein Mittelweg gefunden, um die Dialog weder altmodisch noch modern abzubilden. Moderner Sprachstil in direkter Rede würde seine Wirkung verfehlen, da der Roman im 19. Jahrhundert spielt. Altmodische Sprache würde aber das Lesen erschweren.
- Außerdem wird ein ironischer Ton angeschlagen, wenn konsequent indirekte Rede zur Wiedergabe der Dialoge verwendet wird. Damit sollte die Komik vieler Situationen hervorgehoben werden.
- Besonders viele Wortwitze sind in „Die Vermessung der Welt” nicht enthalten. Der Autor wollte die Figuren auch nicht ins Lächerliche ziehen.
- Dass Gegenwartsroman und historischer Roman vereinbar sind, zeigt Daniel Kehlmann ganz klar mit diesem Werk.
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