Textsorte: Kurzgeschichte
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Was ist eine Kurzgeschichte?
Die Kurzgeschichte ist eine literarische Form der Prosa, die sich in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte. Bei dem Begriff Kurzgeschichte handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Amerikanischen. Die sogenannten short stories gab es in den USA seit dem Ende des 19. Jahrhundert. Die Autoren der Nachkriegszeit nutzten die Form der short story und schufen eine neue Literaturgattung in Deutschland.
Die Kurzgeschichte war eine sehr beliebte Gattung der Nachkriegszeit. Die literarische Epoche der Trümmerliteratur, die oft als literarische „Stunde Null" bezeichnet wird, bediente sich der Form und Struktur der Kurzgeschichte, um die allgemeine Lebenswirklichkeit in Deutschland nach 1945 zu publizieren. Die Merkmale der Kurzgeschichte boten viele Vorteile für die Nachkriegszeit – in einer Zeit, in der das Papier rationiert wurde und das Veröffentlichen von langen Texten oder Romanen lange Zeit beanspruchte, war die Publikation von Kurzgeschichten viel leichter und eine gute Alternative. Wichtige deutschsprachige Autoren von Kurzgeschichten sind Wolfgang Borchert, Gabriele Wohmann, E.T.A. Hoffmann und Franz Kafka.
Merkmale der Kurzgeschichte
Wie die Bezeichnung der Textform verrät, kennzeichnen sich Kurzgeschichten besonders durch ihre Kürze. Obwohl die Kurzgeschichten in Form und Darstellungsweise variieren, kann man typische Merkmale feststellen. Wichtige Gemeinsamkeiten zwischen den meisten Kurzgeschichten ist die thematische Konzentration auf ein Geschehen im menschlichen Leben und die Alltäglichkeit von Thematik und Sprache.
Zum Inhalt von Kurzgeschichten
Die Autoren der Nachkriegszeit nutzten die Kurzgeschichte, um die alltäglichen Situationen der Nachkriegszeit aufzuzeigen. Neuere Kurzgeschichten thematisieren ebenfalls alltägliche Situationen, die sich aber nicht nur auf die Vergangenheit beschränken. Sie sind meist konfliktreich und zeigen Krisensituationen auf.
In Kurzgeschichten treten meist nur wenige Personen auf. Bei diesen handelt es sich meist um Durchschnittsmenschen, die mit den alltäglichen Problemen des Lebens konfrontiert werden. Es sind nie Helden oder Personen mit herausragenden Eigenschaften. Die Personen werden nicht genau beschrieben. Vielmehr erfährt man erst durch den Handlungsablauf grobe Einzelheiten zu den Personen. Meist stehen die Menschen an einem Wendepunkt ihres Lebens, an dem das Glück oder das Unglück umschlägt und sich Situation schlagartig ändert. Dieses Merkmal wird als Peripetie bezeichnet. Sie zählt zu den wichtigsten Merkmalen einer Kurzgeschichte.
Das Geschehen erstreckt sich über einen sehr kurzen Zeitraum. Die erzählte Zeit umfasst meist nur wenige Minuten bis Stunden. Daher findet selten ein Ortswechsel statt.
Zur Form und Sprache von Kurzgeschichten
Ein Beispiel für eine sehr bekannte Kurzgeschichte ist „Ein netter Kerl" von Gabriele Wohmann aus dem Jahr 1978. Sie handelt von einer Familienkrise, die durch Kommunikationsprobleme entsteht. Die Kurzgeschichte ist eine Momentaufnahme: Die Familie sitzt am Tisch und äußert sich negativ über den Freund der Tochter, der bei ihnen zum Abendessen eingeladen war. Sie beginnt folgendermaßen:
„Ich habe ja so wahnsinnig gelacht, rief Nanni. Genau wie du ihn beschrieben hast, entsetzlich. Furchtbar fett für sein Alter, sagte die Mutter. Er sollte vielleicht Diät essen. Übrigens, Rita, weißt du, ob er ganz gesund ist?"
Man erkennt, dass diese Kurzgeschichte sowie die meisten anderen Kurzgeschichten keine Einleitung hat. Der unvermittelte Anfang und der offene Schluss zählen zu den wichtigsten Merkmalen der Kurzgeschichte und sollen den Leser dazu anregen, über das Geschehen nachzudenken.
Auch die sprachlichen Merkmale der Kurzgeschichte werden anhand der kurzen Einleitung der Kurzgeschichte „Ein netter Kerl" gut deutlich. Kurzgeschichten sind in einem einfachen Sprachstil verfasst und sind sehr nah an der Alltagssprache. Auch umgangssprachliche Ausdrücke prägen oft die Figurenrede.
Trotz der sprachlichen Einfachheit sind Kurzgeschichten inhaltlich stark verdichtet. Durch die Verwendung von Metaphern, Symbolen und Andeutungen und anderen sprachlichen Mitteln, wird Mehrdeutigkeit der Geschichte erreicht: Die alltäglichen Situationen verweisen auf komplexere Probleme, die die Leserschaft erschließen und reflektieren soll.
Die Erzählperspektive ist meist personal oder in der Ich-Form. Häufig findet ein Wechsel zwischen Erzählerbericht und Figurenrede statt.
Wie analysiere ich eine Kurzgeschichte?
Für die Analyse einer Kurzgeschichte ist eine Schreibvorbereitung besonders wichtig. Du solltest die Kurzgeschichte mehrmals gelesen haben und gut kennen. Halte zunächst deinen Eindruck, deine Vorstellungen und Fragen zur Kurzgeschichte fest. Folgende Fragen könnten dir dabei behilflich sein:
- Welchen Eindruck hast du über die Figuren, den Ort, das Geschehen?
- Welchen Eindruck hast du vom Text?
- Welche Fragen bleiben offen?
- Welche Vorstellung hast du von dem Konflikt und den Beziehungen der Personen?
Der nächste Schritt besteht darin, einen Schreibplan zu erstellen. Dieser hilft dir beim Gliedern deiner Analyse. In deinem Schreibplan solltest du in Stichpunkten auf die Besonderheiten der Kurzgeschichte eingehen. Die Untersuchung folgender Merkmale gehört in eine Textanalyse:
- Erzähler & Erzählperspektive
- Thema, Handlung, Handlungsablauf
- Figuren, Ort, Zeit
- Gibt es einen Wendepunkt?
- Gibt es Besonderheiten in der Sprache?
- Welche rhetorischen Stilmittel werden verwendet?
Anschließend beginnst du mit dem Schreiben deiner Analyse. Eine Analyse ist in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert:
Die Einleitung nennt Titel, Autor, Entstehungsdatum, Thema und Textsorte und enthält somit die wichtigsten Angaben zum vorliegenden Text.
Im Hauptteil folgt die eigentliche Analyse. Nach einer kurzen Wiedergabe des Inhalts mit eigenen Worten folgt die Analyse der inhaltlichen, formalen und sprachlichen Struktur des Textes. Besonders wichtig ist, dass du deine Aussagen mit Textstellen belegst.
Der Schluss fasst die Erkenntnisse der Textanalyse zusammen und geht auf die Intention des Autors und die Überzeugungskraft des Textes ein. Der Schluss bietet Raum für deine eigene Meinung: Überzeugt dich der Text? Welche Fragen bleiben offen? Welche Pointe liest du heraus?
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