Formale Merkmale: Zeit in epischen Texten
In epischen Texten gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Merkmal Zeit zu betrachten. Was sind Erzählzeit und erzählte Zeit und wie stehen sie im Verhältnis? Was ist mit Reihenfolge, Dauer und Frequenz nach Genette gemeint? Diese Fragen werden hier geklärt!
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- Wie ist die Zeit in epischen Texten gestaltet?
- Erzählzeit und erzählte Zeit
- Die Zeitstruktur in epischen Texten
Wie ist die Zeit in epischen Texten gestaltet?
Epische Texte können nach Merkmalen wie Erzählperspektive, Figurenkonstellation oder Zeit untersucht werden. Bei der Analyse der Zeit gibt es verschiedene Punkte, die du berücksichtigen musst: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit und was hat es mit der zeitlichen Reihenfolge, der Dauer und der Frequenz auf sich?
Erzählzeit und erzählte Zeit
Die Begriffe Erzählzeit und erzählte Zeit klingen zwar sehr ähnlich, doch meinen sie etwas völlig Verschiedenes.
Stell dir vor, du liest die Biografie einer berühmten Persönlichkeit. Das Buch hat 500 Seiten und du brauchst fünf Wochen, bis du es fertig gelesen hast. Dann sind die fünf Wochen die Erzählzeit. Sie besagt, wieviel Zeit du für das Lesen benötigt hast. Die Biografie beschreibt aber das gesamte Leben, zum Beispiel 70 Jahre, einer bestimmten Person. Diese 70 Jahre sind die erzählte Zeit. Sie ist der Zeitraum, in dem sich die Handlung ereignet hat.
Diese beiden Begriffe stehen in einem Verhältnis, das Erzähltempo genannt wird. Was das genauer bedeutet, wird dir im nächsten Abschnitt erläutert.
Die Zeitstruktur in epischen Texten
Um das epische Geschehen zu präsentieren, bedient sich der Autor verschiedener Gestaltungstechniken, die den zeitlichen Ablauf dehnen oder raffen können. Der Literaturwissenschaftler Gérard Genette unterteilt dabei die Zeitstruktur in epischen Texten in drei Kategorien.
Die Reihenfolge
Die erste Kategorie befasst sich mit der zeitlichen Struktur in epischen Texten. Die meisten Texte sind chronologisch aufgebaut. Die Ereignisse der Geschichte sind zeitlich aufeinanderfolgend. Doch nicht immer wird eine chronologische Ordnung eingehalten. Diese Umstellung der Chronologie wird narrative Anachronie genannt und findet sich häufig in Kriminalromanen. Oft werden dort Rückblicke (Analepse) oder Vorausdeutungen (Prolepse) in den Text eingeschoben. Der Germanist Eberhard Lämmert hat diese Rückwendungen und Vorausdeutungen wie folgt unterteilt:
- Aufbauende Rückwendung: Sie erklärt Hintergründe und reicht zuvor Ausgespartes nach.
- Auflösende Rückwendung: Hier werden fehlende Informationen ergänzt, die zuvor bewusst zurückgehalten wurden.
- Einführende Vorausdeutung: In einem Buchtitel oder einer Überschrift wird bereits ein Geschehen angekündigt.
- Abschließende Vorausdeutung: Ein typisches Beispiel ist die Märchenformel Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Du erfährst also etwas, das nicht mehr Teil des Textes ist.
Die Dauer
Erinnerst du dich an die Bezeichnung Erzähltempo? Genette meint damit Dauer als zweite Kategorie der Zeitstruktur epischer Texte. Die Dauer wird mit den Begriffen Zeitdeckung, Zeitraffung und Zeitdehnung definiert. Doch was besagen sie?
- Zeitdeckung: Die Erzählzeit und erzählte Zeit stimmen überein. In epischen Texten findest du sie zum Beispiel in Dialogen oder erkennst sie am Sekundenstil.
- Zeitraffung: Die Erzählzeit ist kürzer als die erzählte Zeit. Im Text werden nur wesentliche Dinge beschrieben, wie in Biografien.
- Zeitdehnung: Die Erzählzeit ist länger als die erzählte Zeit. Um die Spannung zu erhöhen, werden beispielsweise Umstände oder Erläuterungen eingeschoben oder etwas in Zeitlupe beschrieben.
Die Frequenz
Nach Genette bezeichnet die Frequenz die Wiederholungsbeziehung zwischen dem Erzählten und dem Erzählen. Er unterscheidet dabei in:
- Singulative Erzählung: Es wird einmal erzählt, was einmal passiert. Sie ist die häufigste vorkommende Erzählung.
- Repetitive Erzählung: Es wird mehrmals erzählt, was einmal passiert, zum Beispiel aus verschiedenen Perspektiven.
- Iterative Erzählung: Es wird einmal erzählt, was mehrmals passiert, wie das tägliche Aufstehen am Morgen.
- Anaphorische Erzählung: Es wird mehrmals erzählt, was mehrmals passiert.
Nun hast du sehr viele Begriffe und ihre Definitionen kennengelernt. Schau doch mal in dem Buch, das du gerade liest, welche zeitlichen Merkmale du finden kannst. Viel Spaß dabei!
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