- Geschichte
- Methoden- und Medientraining
- Basiswissen und Methoden im Fach Geschichte
- Urteilsbildung – Sach- und Werturteile
Urteilsbildung – Sach- und Werturteile
Bei der historischen Urteilsbildung geht es darum, historische Ereignisse objektiv zu betrachten und moralisch zu bewerten. Du lernst, wie man sachliche und wertende Urteile bildet. Neugierig? Entdecke alles im Text
in nur 12 Minuten? Du willst ganz einfach ein neues
Thema lernen in nur 12 Minuten?
-
5 Minuten verstehen
Unsere Videos erklären Ihrem Kind Themen anschaulich und verständlich.
92%der Schüler*innen hilft sofatutor beim selbstständigen Lernen. -
5 Minuten üben
Mit Übungen und Lernspielen festigt Ihr Kind das neue Wissen spielerisch.
93%der Schüler*innen haben ihre Noten in mindestens einem Fach verbessert. -
2 Minuten Fragen stellen
Hat Ihr Kind Fragen, kann es diese im Chat oder in der Fragenbox stellen.
94%der Schüler*innen hilft sofatutor beim Verstehen von Unterrichtsinhalten.
Das Historische Urteilsbildung Quiz besiegt 60% der Teilnehmer! Kannst du es schaffen?
Quiz startenLerntext zum Thema Urteilsbildung – Sach- und Werturteile
Historische Urteilsbildung – Definition
Bestimmt haben deine Großeltern schon öfter erzählt, dass damals alles anders war. Sie zeigen dir Fotos von früher, auf denen sie Kleidung tragen, die du heute niemals anziehen würdest. Vielleicht hatten sie auch einen Schulweg, den du heute niemals auf dich nehmen würdest. Das ist verständlich, denn in der Gegenwart gibt es natürlich ganz andere Modetrends oder Verkehrsmittel als zu der Zeit, als deine Großeltern mal so alt waren, wie du es jetzt bist. Um aber wirklich zu verstehen und bewerten zu können, wie deine Großeltern das alles wahrgenommen haben, müssen die heutige Sichtweise und die damalige Sichtweise getrennt betrachtet werden. So geht man auch bei der historischen Urteilsbildung vor.
Ein historisches Urteil ist eine begründete Stellungnahme zu einer historischen Fragestellung oder Problemstellung. Ein solches Urteil ist argumentativ untermauert und kann entweder einen sachlich-feststellenden oder moralisch-wertenden Charakter haben.
Historische Urteilsbildung – ein Fallbeispiel
Um überhaupt ein Urteil zu historischen Sachverhalten fällen zu können, betrachten wir die Geschichte unter einer gewissen Fragestellung, die wir beantworten möchten, bzw. werfen ein Problem auf, zu dem wir Stellung beziehen möchten.
In unserem Beispiel sollst du dich zu der problemorientierten Frage Otto von Bismarck – Nationalheld oder Kriegstreiber? positionieren.
Otto von Bismarck war preußischer Ministerpräsident und ab 1871 Kanzler des ersten Deutschen Nationalstaats, des sogenannten Deutschen Kaiserreichs. Er spielte eine zentrale Rolle bei der Gründung des Kaiserreichs und der Außenpolitik Deutschlands im späten 19. Jahrhundert.
Das Wirken Bismarcks als Gründer des Deutschen Kaiserreichs kann aus verschiedenen Perspektiven bewertet werden, auf die wir nun einen Blick werfen.
Historische Urteilsbildung – das Sachurteil
Bei der Bildung eines historischen Urteils beginnst du in der Regel mit dem sogenannten Sachurteil, da dieses, wie der Name andeutet, sachlich das betrachtete Ereignis oder die untersuchte Fragestellung beantworten möchte.
Ein Sachurteil bezieht sich auf historische Fakten und überprüfbare Informationen (die wir Quellen entnehmen können) und bringt diese in einen logischen Sinnzusammenhang. Es geht hierbei also um die Beurteilung, Erklärung und Verknüpfung von Ereignissen und Prozessen im historischen Kontext.
Dazu kann es hilfreich sein, mithilfe von Quellen und Darstellungen zunächst die historischen Fakten zu sammeln, die dir zu dem Sachverhalt einfallen. Für die Person Otto von Bismarck könnte das zum Beispiel folgendermaßen aussehen:
- Preußischer Ministerpräsident
- Einigungskriege
- Gründung des ersten Deutschen Nationalstaats
- Reichskanzler ab 1871
- Sozialgesetzgebung
- Außenpolitische Bündnissysteme
→ Beim historischen Sachurteil geht es nun darum, diese überprüfbaren Fakten zunächst objektiv zu beschreiben und in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Wichtig dabei ist, diese innerhalb des historischen Kontexts zu bewerten. Das heißt, wir versuchen, unsere Perspektive zu wechseln und Ereignisse, Entwicklungen und Entscheidungen mit den Augen der damaligen Zeit nachzuvollziehen.
Du hast schon eine Idee? Überprüfe sie gerne, indem du die Klappbox öffnest!
Sachurteile zu Otto von Bismarck könnten zum Beispiel so lauten:
- Bismarck spielte durch eine Reihe von Kriegen, an deren Entstehung und Ausgang er maßgeblich beteiligt war, eine zentrale Rolle bei der Einigung Deutschlands – darunter fallen der Deutsch-Dänische Krieg (1864), der Deutsche Krieg (1866) und der Deutsch-Französische Krieg (1870–1871).
→ Dieses Sachurteil beschreibt greifbare und überprüfbare Informationen und stellt historische Ursache-Wirkungs-Beziehungen dar. Die von Bismarck geführten Kriege werden als Bedingung gesehen, die in der Folge zur Gründung des Deutschen Reichs führten.
Auch auf die Wahrnehmung der Zeitgenossen kannst du in deinem Sachurteil eingehen. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
- Der Politikstil Bismarcks kann für die damalige Zeit durchaus als erfolgreich beurteilt werden. Für einige der Zeitgenossen war die Politik Bismarcks ein erwünschter Segen, da Deutschland so zu einer starken Großmacht in Europa wurde, was damals für viele Menschen wichtig war. Insofern galt Bismarck damals bereits einigen als Nationalheld. Andere Menschen, vor allem aus dem europäischen Ausland, beobachteten den rasanten Aufstieg Deutschlands jedoch kritisch.
→ Das Vorgehen Bismarcks wird aus zeitgenössischer Perspektive bewertet. Das bedeutet, man setzt die Brille der Menschen auf, die zur Zeit Bismarcks und seiner Kriege gelebt haben.
Historische Urteilsbildung – das Werturteil
Da du nun die historischen Fakten und zeitgenössischen Perspektiven zu unserem Fallbeispiel kennst und miteinander im Zusammenhang betrachtet hast, kannst du diese subjektiv bewerten und nach heutigen Maßstäben einordnen – du fällst also ein Werturteil.
Das historische Werturteil beinhaltet eine Bewertung oder Interpretation von historischen Ereignissen und Prozessen, die unter Berücksichtigung heutiger moralischer Maßstäbe, Werte und Normen getätigt wird.
Um dein Werturteil argumentativ so plausibel wie möglich zu formulieren, solltest du auch hier zunächst sammeln, welche modernen moralischen Kritikpunkte es an der Politik Bismarcks geben könnte. Zum Beispiel:
- Die Einigungskriege → aggressiv und völkerrechtswidrig
- Sozialgesetzgebung → Maßnahme zur Beruhigung des politischen Gegners (Opportunismus), aber auch Grundlage für den Sozialstaat
- Imperialismus → expansionistisch und gegen Interessen der kolonialisierten Völker, rassistisches Menschenbild
Wie du die einzelnen Punkte eines historischen Sachverhalts aus heutiger Sicht bewertest, bleibt deinem persönlichen moralischen Empfinden überlassen. Wichtig ist, dass deine Argumente schlüssig sind.
Schaue gerne nach, ob deine Idee für ein Werturteil schon in die richtige Richtung geht!
- Nach heutigen Maßstäben kann man Bismarcks Methoden als rücksichtslos und seine Kriege als äußerst ungerechtfertigt bewerten, da er sich sehr oft über zivile oder internationale Interessen hinwegsetzte.
→ Dieses Werturteil betrachtet das Wirken Bismarcks aus der Perspektive heutiger Moralvorstellungen. Worüber sich Großmächte einst profilierten, gilt heute weitgehend als eklatante Verletzung von Menschenrechten.
- Auch die Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents spricht dafür, dass Bismarck die Interessen anderer Völker und Kulturen oftmals missachtete und somit als eine Person angesehen werden kann, die ihre Ziele rücksichtslos durchsetzte.
→ Die interkulturelle Perspektive, also die Annahme, dass alle Kulturen gleichberechtigt sind und respektiert werden sollten, entstammt modernen Wertvorstellungen.
- Die Einführung der Sozialversicherungen kann als Umsetzungsversuch eines ersten modernen Sozialstaats gesehen werden, wie wir ihn heute zum Beispiel im Grundgesetz verankert haben.
→ Durch die Bezugnahme auf das Grundgesetz und damit auf heutige Werte können die Sozialreformen Bismarcks auch als weichenstellend für moderne Staatlichkeit gesehen werden.
Beispiel für Sachurteile über die antike Demokratie in Athen:
- Das Herrschaftsmodell im klassischen Athen (fünftes und viertes Jahrhundert v. u. Z.) war die erste erfolgreiche und überregional relevante Umsetzung eines demokratisch geführten Staats. In mehreren demokratischen Institutionen, wie vor allem der Volksversammlung, konnte sich ein großer Teil der Bevölkerung an politischen Entscheidungen beteiligen.
→ Hier wird das politische System Athens in der Antike als erfolgreiches demokratisches Modell beurteilt, was an der Funktionsweise seiner politischen Institutionen festgemacht wird.
- Das innenpolitische System, das durch mehrere Reformen schrittweise demokratischer geworden war, führte auch zu einer außenpolitischen Dominanz der Polis Athen und ging mit einer kulturellen Blütezeit des Stadtstaats einher.
→ In diesem Sachurteil werden außenpolitischer Erfolg und Machtfülle sowie die kulturelle Entwicklung Athens in einen Zusammenhang mit der Entwicklung eines demokratischen Systems gebracht, das für dieses als ursächlich interpretiert wird.
Beispiel für Werturteile zur Demokratie im antiken Athen:
- Aus heutiger Sicht ist die attische Demokratie der Antike nur bedingt demokratisch: Sowohl die Existenz von Sklaven als auch der Ausschluss von Frauen aus dem politischen Leben sind nicht mit unserem heutigen Demokratieverständnis vereinbar, das stark mit der Idee der Menschenrechte verknüpft ist. Eine solche Einschränkung der Grundrechte ganzer Bevölkerungsgruppen ist in unserer Gesellschaft zum Glück nicht mehr vorstellbar.
→ Beurteilung nach dem heutigen Demokratieverständnis und aktuellen Wertmaßstäben
- Im Gegensatz zu unserer heutigen Demokratie hatten die Bürger Athens einen deutlich direkteren Einfluss auf das politische Geschehen, vor allem im Rahmen der Volksversammlung. Wir können die Demokratie im antiken Athen daher als Inspiration für eine stärkere Einbindung der Bevölkerung in politische Entscheidungen sehen.
→ Vergleich des historischen und aktuellen Demokratiemodells und Einordnung in der Gegenwart
Historische Urteilsbildung in der Geschichtsklausur
Wählst du in der Oberstufe Geschichte als schriftlichen Kurs, wirst du in den Klausuren Sach- und Werturteile zu Personen oder historischen Ereignissen fällen müssen.
Dies entspricht in der Regel dem Anforderungsbereich III, also der dritten Aufgabe in deiner Klausur. Mögliche Operatoren hierfür sind:
- beurteilen
- bewerten, Stellung nehmen
- entwickeln
- sich auseinandersetzen, diskutieren
- (über-)prüfen
- vergleichen
Du wirst also eine historische Quelle (in der Regel eine Schriftquelle wie z. B. eine Rede oder einen Tagebucheintrag) bekommen, deren Inhalt du (1.) reproduzierst (wiedergeben), (2.) transferierst (in den historischen Kontext einordnen) und (3.) reflektiert bewertest, also ein begründetes Urteil abgibst. Insgesamt ergeben die drei Aufgabenteile dann die sogenannte Quellenanalyse oder Quellenkritik.
Die Fähigkeit zur historischen Urteilsbildung hat einen hohen Wert in demokratischen Gesellschaften. Sie ermöglicht eine fundierte Deutung der Vergangenheit, die dazu beiträgt, die Gegenwart zu verstehen, in der wir uns bewegen. Auch fördert sie die Handlungskompetenz, da wir von der Analyse der Vergangenheit auch Perspektiven für die Zukunft ableiten können, die uns dann Orientierung geben, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen.
Für die Gesellschaft wirkt die historische Urteilsbildung also identitätsstiftend, da Geschichte so bewahrt wird und gleichzeitig eine kritische Reflexion der Vergangenheit angeregt wird. Dies ist wichtig, um zum Beispiel Gefahren für demokratische Gesellschaften frühzeitig zu erkennen.
Außerdem kann historische Urteilsbildung das Verständnis und die Empathie für Menschen in anderen Zeiten und Lebensumständen fördern. Wie zum Beispiel bei deinen Großeltern, deren alte Jugendkleider du wahrscheinlich niemals tragen würdest! Sie macht deutlich, wie historische Entwicklungen das Leben von Individuen und Gemeinschaften beeinflusst haben und dass man bestimmte Ereignisse oft anders bewertet, wenn man sie miterlebt.
Historische Urteilsbildung – Zusammenfassung
Historische Urteilsbildung...
- ... hat das Ziel, Ereignisse der Geschichte zunächst sachlich und neutral zu bewerten.
- ... verlangt eine Unterscheidung zwischen zeitgenössischer Perspektive (Sachurteil) und heutiger Perspektive (Werturteil).
- ... hat einen Mehrwert für das Bewusstsein demokratischer Gesellschaften.
Sachurteil | Werturteil |
---|---|
Urteil stellt sachlich fest, mit transparenter Begründung. | Urteil bewertet moralisch, nach heutigen Wertmaßstäben. |
Historische Strukturen und Zusammenhänge werden erklärt. | Historische Strukturen und Zusammenhänge werden bewertet. |
Urteil ist sachbezogen und aus der damaligen Perspektive formuliert. | Urteil mit Darlegung der eigenen Position ist auf Gegenwart bezogen. |
1.215.161 Schülerinnen und Schüler haben bereits unsere Übungen absolviert. Direktes Feedback, klare Fortschritte: Finde jetzt heraus, wo du stehst!
Jetzt registrieren und vollen Zugriff auf alle Funktionen erhalten!
30 Tage kostenlos testenDu musst eingeloggt sein, um bewerten zu können.
Wow, Danke!
Gib uns doch auch deine Bewertung bei Google! Wir freuen uns!
8'794
sofaheld-Level
6'601
vorgefertigte
Vokabeln
7'377
Lernvideos
36'267
Übungen
32'819
Arbeitsblätter
24h
Hilfe von Lehrkräften
Inhalte für alle Fächer und Schulstufen.
Von Expert*innen erstellt und angepasst an die Lehrpläne der Bundesländer.
Testphase jederzeit online beenden
Beliebteste Themen in Geschichte
- Marie Antoinette
- Ermächtigungsgesetz
- Karl Der Große
- George Washington
- Katharina Die Große
- Französische Revolution
- Versailler Vertrag
- Stalin
- Hitler Geburtstag
- Wallenstein
- Martin Luther
- Vormärz
- Warschauer Pakt
- Paul Von Hindenburg
- Elizabeth Bowes-Lyon
- Weimarer Verfassung
- Watergate-Affäre
- Wiener Kongress
- Absolutismus
- Wer war Konrad Adenauer
- Vietnamkrieg
- Frauen In Der Französischen Revolution
- Gewaltenteilung
- Dolchstoßlegende
- Industrielle Revolution
- Deutscher Bund
- Ende 2. Weltkrieg
- Gründung Brd
- Gaius Julius Caesar
- Josef Stalin
- Oktoberrevolution
- Martin Luther King
- Mittelalterliche Stadt
- Queen Victoria
- Imperialismus
- Schwarzer Freitag
- Soziale Frage
- Was bedeutet Gleichschaltung
- Dante Alighieri
- Wannseekonferenz
- Verfassung Deutsches Reich 1871
- Kapp-Putsch
- Erfindungen Industrialisierung
- Wollt Ihr Den Totalen Krieg
- Reichstagsbrand
- Hindenburg Zeppelin
- Nationalsozialismus
- NS Ideologie
- Puritaner
- England Industrialisierung