Under der linden (Walther von der Vogelweide)
Walther von der Vogelweide entwickelte in seinen Liedern einen Gegenentwurf zum Ideal der hohen Minne, das im Minnesang lange vorherrschend war. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Minnesang „Under der linden“, in dem von der Liebesvereinigung eines gleichberechtigten Paares in der Natur berichtet.
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- Der Lyriker Walther von der Vogelweide
- Minnesang: Wie funktioniert Liebe in der mittelalterlichen Lyrik?
- Das Minnekonzept in „Under der linden“
Der Lyriker Walther von der Vogelweide
Walther von der Vogelweide zählt zu den bedeutendsten Dichtern des Mittelalters und hat die Geschichte der deutschen Lyrik entscheidend geprägt. Es gibt nur wenige konkrete Daten, die zu seinem Leben überliefert wurden, als wichtigste Quelle ist sein eigenes dichterisches Werk anzusehen. Anhand seiner Schaffenszeit lässt sich darauf schließen, dass Walther wohl um das Jahr 1170 oder etwas später geboren wurde. Damit lebte er ungefähr zur gleichen Zeit wie andere berühmte Autoren des deutschsprachigen Mittelalters, beispielsweise Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und auch Wolfram von Eschenbach. Das Werk von Walther von der Vogelweide wurde vielfach überliefert und ist vor allem im Vergleich zu den Werken anderer mittelalterlicher Lieddichter sehr umfangreich. Sein Werk umfasst neben Sangsprüchen und Minneliedern auch religiöse Lieder sowie weitere Texte, die unter dem Begriff der Altersdichtung zusammengefasst werden können.
Minnesang: Wie funktioniert Liebe in der mittelalterlichen Lyrik?
Lyrische Gedichte waren im Mittelalter als Lieder konzipiert, die in Form von Gesang mit der Begleitung durch ein Saiteninstrument vorgetragen wurden. In den meisten Fällen sind die Dichter selbst als Sänger und Instrumentalisten aufgetreten und haben ihre höfische Lyrik im Kreis einer Hofgesellschaft vorgetragen.
Die Mittelhochdeutsche Dichtung ist gekennzeichnet durch folgende Literaturformen: Ritterlich-höfisches Epos, Volksepos und Minnesang. Der Minnesang ist eine Form der Liebeslyrik. Das klassische Thema des Minnesangs ist die hohe Minne. Den Kern dieses Themas bildet die Verehrung einer frouwe, also einer adeligen Dame oder Herrin, durch einen ritter, der ihr als Dienstmann untergeordnet ist und beständig um sie wirbt. Da frouwe und ritter beide zur höfischen Gesellschaft gehören, sind die Normen und Werte des Hofes für sie verpflichtend. Daraus ergibt sich auch, dass die höfische Liebe zwischen den beiden Parteien als unrechtmäßig bewertet und geheim gehalten wird, die völlige körperliche Hingabe ist in der Regel ausgeschlossen. Das Konzept der höfischen Liebe fordert von dem Mann das Streben nach einem besseren und vollkommenen Wesen, um sich seiner Herrin als würdig zu erweisen.
Im Kontrast zu der hohen Minne entwickelte sich folglich ein Gegenkonzept, das als niedere Minne bezeichnet wird und vermehrt sexuelle Aspekte in den Vordergrund stellt. Während die hohe Minne dem Hof zuzuordnen ist, wird das Konzept der niederen Minne vermehrt in einer sozial und moralisch niedrig stehenden Gesellschaftsschicht verortet. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Minnekonzepten steht ein Minne-Entwurf, der als ebene Minne bezeichnet werden kann. Hier werden die Partner gleichberechtigt dargestellt, das Werben des Mannes tritt in den Hintergrund und der Frau, die in der Regel nicht zum Adel gehörig ist, werden vermehrt höfische Tugenden wie Treue, innere Güte und Beständigkeit zugeschrieben.
Das Minnekonzept in „Under der linden“
Under der linden ist ein Minnesang mit vier Strophen, in denen ein weibliches lyrisches Ich von der Liebesvereinigung mit ihrem friedel in der Natur berichtet. Der Ort der Vereinigung der beiden Liebenden unter einer schutzspendenden Linde wird im Gedicht als sogenannter locus amoenus beschrieben, hier liegt also das Motiv einer idealisierenden Naturschilderung vor. Bereits der dritte Vers der ersten Strophe dâ unser zweier bette was sowie der Verweis auf die gebrochen bluomen – in der mittelalterlichen Lyrik ein erotisches Motiv – verdeutlichen, dass es zum tatsächlichen Vollzug eines Liebesaktes gekommen ist und das Ideal der unerfüllten hohen Minne in diesem Lied untergraben wird. In der zweiten Strophe beschreibt das lyrische Ich Freude und Glückseligkeit, die aus der Vereinigung mit dem Geliebten und den tausend Küssen zwischen den beiden hervorgehen.
Die dritte Strophe konzentriert sich wieder stärker auf die Beschreibung der Natur und des Bettes aus Rosen, das der Geliebte für das Mädchen bereitet hat, wobei die Rosen als Symbol für Liebe und Erotik angesehen werden können. Das Motiv der Heimlichkeit kommt in der vierten Strophe vor, als das lyrische Ich äußert, es müsse sich schämen, wenn jemand von der Liebesbeziehung erführe. Als einziger Zeuge wird ein kleinez vogellîn benannt, das bereits in der ersten Strophe als Nachtigall vorkommt. Der Verweis auf das Motiv der Heimlichkeit lässt vermuten, dass die Beziehung zwischen dem Mädchen und ihrem Geliebten nicht rechtmäßig ist. Da die Liebe der beiden aber in jedem Fall gleichberechtigt ist und auch körperlich vollzogen wird, steht dieser Minnesang Walthers von der Vogelweide im scharfen Kontrast zu dem Ideal unerfüllter, höfischer Liebe.
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