Tauben im Gras (Koeppen)
„Tauben im Gras“ ist einer von drei Romanen aus Wolfgang Koeppens „Trilogie des Scheiterns“. Er betrachtet die deutsche Nachkriegsgesellschaft kritisch und zeigt Themen wie Chaos, Antisemitismus, Rassismus und Vorurteile auf.
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Entstehungsgeschichte
Wolfgang Koeppens Episodenroman „Tauben im Gras“ entsteht 1951 und ist eines von drei Werken seiner „Trilogie des Scheiterns“. Anders als viele Autoren reflektiert er in seinem Roman nicht den Krieg, sondern die unmittelbare Gegenwart im Nachkriegsdeutschland. Er knüpft an die Formtraditionen der klassischen Moderne an, die sich durch einen starken Fokus auf das Innere der Figuren auszeichnet (Bewusstseinsstrom). Ein Vorbild Koeppens ist Gertrude Stein, welche die englische Entsprechung des Romantitels pidgeons in the grass alas verwendete, um die geistige Erneuerung nach dem Krieg zu bezeichnen. Außerdem wurde Koeppen durch John Dos Passos geprägt, der in seinen Romanen episodische Szenen und experimentelle Collagetechniken mit Gedichten, biografischen Elementen und Zeitungsartikeln verwendet.
Inhaltsangabe
Die Handlung des Romans findet an einem einzigen Tag statt. Es werden viele einzelne Geschichten erzählt, die miteinander verknüpft sind und deren Protagonisten sich durch Zufall an einer anderen Stelle wieder begegnen:
Der Schauspieler Alexander plant, einen Film zu drehen, für den Philipp das Drehbuch schreiben soll, was ihn jedoch überfordert. Philipps Frau Emilia ist darüber betrübt, bezahlt aber zugleich die Produktion des Films, indem sie Antiquitäten verkauft. Ein wichtiger Ort ist das Café Schön, ein Treffpunkt für Afroamerikaner, wo sich unter anderem auch der amerikanische Soldat Washington und dessen Freundin Carla aufhalten. Die Beziehung der beiden wird von Carlas rassistischer Mutter Frau Behrend abgelehnt.
Washington nimmt an einem Baseballspiel teil, an dem der GI Odysseus sowie Josef - ein ehemaliger Nazi - und andere Figuren teilnehmen. Später ziehen Odysseus und Josef durch die Stadt, wobei Josef in einer Schlägerei stirbt und Odysseus für den Mord verantwortlich gemacht wird. Es bleibt offen, ob Odysseus für das vermeintliche Verbrechen verurteilt wird. Philipp besucht den Psychiater Dr. Behude. Beide erkennen, dass sie sich für den Schriftsteller Mr. Edwin begeistern und besuchen dessen Vortrag über die Dichtungstheorie Gertrude Steins. Philipp soll Mr. Edwin interviewen, was er sich jedoch nicht traut. Am Endes des Tages überschlagen sich die Ereignisse, in die fast alle Personen, die im Zuge der Handlung beschrieben wurden, verwickelt sind. Es kommt zu brutalen Auseinandersetzungen und Josef wird von einem Stein erschlagen. Am Schluss des Romans ist Josef mit Sicherheit tot und auch Mr. Edwin wurde vermutlich getötet, da er für einen Freier gehalten wird. Auch andere Protagonisten werden Opfer von Steinwürfen, deren Schicksal - ob sie die Steinwürfe überleben oder daran sterben - jedoch ungewiss bleibt.
Personenkonstellation
Auffallend ist, dass es in Koeppens Roman zwar zahlreiche Figuren gibt, die durch ihr Verhalten und Handeln individuell erscheinen - ein Hauptprotagonist fehlt jedoch! Insgesamt sind es mehr als dreißig Figuren, die in der Geschichte auftauchen. Nur wenige davon sind dabei ausgeprägte und tiefer entwickelte Charaktere. Aus Einzelfiguren, die zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort erscheinen, bilden sich Personengruppen, deren Schicksale miteinander verknüpft sind. Die Figuren können daher aufgrund gemeinsamer Eigenschaften innerhalb dieser Gruppen zusammengefasst werden. So entstehen Unterteilungen der Protagonisten in Weiße und Farbige, Deutsche und US-Amerikaner, Männer und Frauen, Gebildete und „Pöbel“ und so weiter. Gemeinsam haben all diese Figuren, dass sie durch den Krieg aus ihrer Lebensbahn geworfen wurden und traumatisiert sind. Die vielen Beziehungen, die in „Tauben im Gras“ dargestellt werden, sind geprägt von Frustration und Isolation. In den meisten Fällen werden die Protagonisten fremdbestimmt, das heißt meist handeln und entscheiden Dritte für sie.
Rezeptionsgeschichte
Die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts ist stark durch den zweiten Weltkrieg geprägt. Nicht nur, dass Exilliteratur vor und während des Krieges entsteht, sondern auch die Epoche der Nachkriegsliteratur ist noch immer vom Krieg beeinflusst. Dabei beschreiben die Autoren nicht nur die Probleme der Bevölkerung, sondern nehmen häufig auch eine zeitkritische Position ein, wie es Koeppen in seinem Roman „Tauben im Gras“ getan hat. Koeppen thematisiert darin einerseits das Trauma der Menschen nach der verheerenden Verwüstung des Krieges, andererseits auch den Fakt, dass in Deutschland dieser Zeit Antisemitismus sowie Rassismus noch allgegenwärtig waren. Er zeigt darüber hinaus auf, dass Fremdenhass und Vorurteile nicht bloß von Erwachsenen ausgehen, sondern dass rassistisches und antisemitisches Gedankengut auch an die Kinder und Jugend weitergegeben wird. Aufgrund der ungewohnten und verwirrenden Schreibweise und durch die Vielzahl an Figuren und Handlungen wurde der Roman anfangs sehr kritisch aufgenommen. Ab 1968 änderte sich dies jedoch, da mittlerweile eine stärkere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden hat.
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