Thiole und Thioether
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Lerntext zum Thema Thiole und Thioether
Thiole und Thioether – Struktur, Eigenschaften und Reaktionen
Thiole und Thioether sind organische Verbindungen, die Schwefelatome enthalten und wichtige Funktionen in verschiedenen Bereichen der Chemie erfüllen. In diesem Lerntext werden wir uns mit ihrer Nomenklatur, ihren Eigenschaften sowie ihren wichtigsten Reaktionen und Anwendungen befassen.
Struktur und Nomenklatur
Thiole sind organische Verbindungen, bei denen im Vergleich zu einem Alkohol ein Schwefelatom anstelle eines Sauerstoffatoms mit einem Kohlenstoffatom verbunden ist. Die Thiolgruppe $\ce{(-SH)}$ besteht also anders als die Hydroxygruppe $\ce{(-OH)}$ der Alkolohle aus einem Wasserstoff- und einem Schwefelatom.
Aufgrund der geringeren Elektronegativität von Schwefel im Vergleich zu Sauerstoff ist die Thiolgruppe weniger polar als die Alkoholgruppe. Die Nomenklatur von Thiolen erfolgt durch Hinzufügen des Suffixes -thiol zum Namen des entsprechenden Alkans, vergleichbar mit der Benennung von Alkoholen.
Beispiel eines Alkohols: Methanol $\ce{(CH3OH)}$
Beispiel eines Thiols: Methanthiol $\ce{(CH3SH)}$
Thioether sind Derivate von Ethern, bei denen ein Sauerstoffatom durch ein Schwefelatom ersetzt wird.
Die Schwefel-Kohlenstoff-Bindung in Thioethern ist im Vergleich zur Sauerstoff-Kohlenstoff-Bindung in Ethern ebenfalls weniger polar. Thioether werden durch das Präfix thio- vor dem Namen des entsprechenden Ethers benannt.
Beispiel eines Ethers: Dimethylether $\ce{(CH3OCH3)}$
Beispiel eines Thiolethers: Dimethylthioether $\ce{(CH3SCH3)}$
Eigenschaften
Polarität
Die Polarität von Thiolen und Thioethern ist geringer als die von Alkoholen und Ethern aufgrund der geringeren Elektronegativität von Schwefel im Vergleich zu Sauerstoff.
Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen
Aufgrund der geringeren Polarität der Thiolgruppe $\ce{(-SH)}$ können Thiole im Vergleich zu Alkoholen weniger gut Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Aus diesem Grund haben Thiole und Thioether im Allgemeinen niedrigere Siedetemperaturen als die entsprechenden Alkohole und Ether. Ethanol siedet beispielsweise bei 78 °C, Ethanthiol bei 35 °C.${^1}$
Acidität
Die $\ce{S-H}$-Bindung der Thiole ist schwächer als die $\ce{O-H}$-Bindung der Alkohole, weshalb Thioalkohole saurer als die analogen Alkohole sind und bereits in wässriger NaOH-Lösung Thiolate bilden. Diese Thiolate sind starke Nukleophile und reagieren leicht mit Elektrophilen.
Reaktivität
Thiole sind bekannt für ihre Reaktivität gegenüber Elektrophilen. Sie können beispielsweise mit Alkylhalogeniden in nucleophilen Substitutionsreaktionen reagieren. Im Vergleich zu Ethern sind Thioether auch reaktiver, insbesondere gegenüber Oxidationsmitteln. Auch die Thiolgruppe oxidiert beispielsweise mit Sauerstoff oder anderen Oxidationsmitteln und es entstehen Disulfide mit einer $\ce{S-S}$-Bindung ${^1}$:
$\ce{ 2 CH3SH + 0,5 O2 -> CH3-S-S-CH3 + H2O}$
Geruch
Viele Thiol- bzw. Thioetherverbindungen haben charakteristische Gerüche, die oft als unangenehm empfunden werden, ähnlich wie einige Alkohole oder Ether. Ein bekanntes Beispiel ist der Geruch von Knoblauch, der auf das Vorkommen von Allylmethylthioether zurückzuführen ist. Auch Milch, Käse und Zwiebeln enthalten Thiole.
Wichtigste Reaktionen
Oxidation: Thiole können zu Disulfiden oxidiert werden, ähnlich der Oxidation von Alkoholen zu Aldehyden oder Ketonen. Diese Reaktion spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Disulfidbrücken in Proteinen, die für deren Struktur und Funktion entscheidend sind.
Eigenschaft als Radikalfänger: Thiole sind ausgezeichnete Radikalfänger und Antioxidantien. Sie können reaktive Sauerstoffspezies abfangen und so Zellschäden durch Oxidation verhindern, ähnlich wie einige Antioxidantien, die in Alkoholen oder Phenolen vorkommen.
Thiole bilden ausgezeichnete Bindungen mit Gold, was beispielsweise bei einem Coronaschnelltest verwendet wird, um den roten Farbstoff (Goldnanopartikel) so zu modifizieren, dass dieser mit dem Coronavirus wechselwirkt und sich ein zweiter roter Strich bildet, wenn man Corona hat.
Insgesamt zeigen Thiole und Thioether sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zu ihren Sauerstoffanalogen, den Alkoholen und Ethern. Ihr Verständnis ist entscheidend für ihre vielfältigen Anwendungen in der organischen Chemie, der Biochemie und anderen Bereichen der Naturwissenschaften.
Zusammenfassung
Thiole und Thioether sind organische Verbindungen mit Schwefelatomen in ihrer Struktur. Sie zeigen spezifische Eigenschaften in Polarität, Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen/Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, Siedetemperatur, Acidität, Reaktivität und Geruch. Ihre wichtigsten Reaktionen umfassen die Oxidation zu Disulfiden und ihre Rolle als Radikalfänger. Durch ihr Verständnis können wir ihre vielfältigen Anwendungen in der Chemie, Biologie und Medizintechnik besser verstehen.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Thiole und Thioether
Thiole und Thioether Übung
-
Benenne folgende Verbindungsklassen.
TippsZwei der obigen Schwefelverbindungen sind Schwefelanaloga zu den Alkoholen und Ethern.
Die Thiole erhalten oft den Namen, der aus dem Lateinischen übersetzt Quecksilberfänger bedeutet.
LösungEs gibt viele Stoffklassen in der organischen Chemie. Die Schwefelanaloga zu den Ethern und Alkoholen sind Abkömmlinge des Schwefelwasserstoffs $(H_2S)$. Die Thioether, auch Sulfide genannt, leiten sich von den Ethern ab, indem das Sauerstoffatom durch Schwefel ersetzt wird $(-S-)$. Die Mercaptane bzw. Thiole leiten sich von den Alkoholen ab und enthalten die funktionelle Gruppe $-S-H$.
$\begin{array}{l|c|l|c} \text{Ether} & R_1-O-R_2 & \text{Sulfid, Thioether} & R_1-S-R_2 \\ \hline \text{Alkohol} & R_1-O-H & \text{Thiol, Mercaptan} & R_1-S-H \\ \end{array}$
-
Vergleiche Ethanol mit Ethanthiol.
TippsOb ein Stoff polar oder unpolar ist, kannst du aus der Elektronegativitätsdifferenz $\Delta EN$ ableiten.
LösungWegen der großen Elektronegativität vom Sauerstoff (3,5) ist die -O-H-Bindung polar. Da der Schwefel (2,5) nur eine vom H-Atom (2,1) betrachtet relativ geringe Elektronegativität besitzt, ist die -S-H-Bindung unpolar. Umso unpolarer eine Verbindung ist, desto geringer ist der Siedepunkt. Ursache dafür ist, dass bei einer unpolaren Verbindung nur die schwachen van-der-Waals-Wechselwirkungen vorliegen, während beim Alkohol die starken Wasserstoffbrücken (WBB) ausgebildet werden, die einen starken Zusammenhalt der Moleküle bewirken.
Die Acidität vom Alkanthiolat ($pK_S = 12$) ist höher als die vom Alkanolat ($pK_S = 18$), weil die Elektronendichte beim Schwefel-Anion über einen größeren Raum delokalisiert ist als beim Sauerstoff-Anion (s. Grafik: unterschiedlich große Potentialoberfläche). Diese Begründungen sind die Anfänge des Pearson-Konzepts. Dieses betrachtet Säuren und Basen sowie die Atome als harte und weiche Säuren und Basen. Das sogenannte HSAB-Konzept (hard and soft acid and bases) vergleicht die Ladung in Relation zum Atom, das diese Ladung trägt.
- Das Alkanthiolat-Anion trägt die einfach negative Ladung am Schwefelatom. Das Schwefelatom ist bezogen auf die kleine Ladung relativ groß. Deswegen ist es ein weiches Teilchen.
- Das Proton hingegen trägt ebenfalls eine Ladung, eine einfach positive Ladung, welche nur auf einem kleinen Atomradius verteilt ist. Deswegen ist ein Proton ein hartes Ion.
- Das Sauerstoff-Anion ist bezogen auf die kleine einfach negative Ladung auch relativ klein und deswegen ebenfalls ein hartes Teilchen.
-
Benenne die folgenden Schwefelverbindungen mit systematischem Namen.
TippsIsobuten
LösungDie Benennung der Thiole und Thioether leitet sich von den Namen der Alkylreste ab.
- Thiole, Mercaptane: Stammalkan-thiol (Die Vorsilben iso und n kennzeichnen, ob ein verzweigter Alkylrest oder die Kettenform als Stammalkan an dem Schwefel angehängt ist.)
- Sulfide, Thioether: Alkyl-1-Alkyl-2-sulfid (in alphabetischer Reihenfolge)
-
Vergleiche Ether mit Sulfiden.
TippsEine Oxidation ist eine Teilreaktion der Redoxreaktion, bei der Elektronen von einem Atom (Schwefel) abgegeben werden.
Additionsverbindungen werden gebildet, wenn ein nucleophiles Zentrum ein elektrophiles Zentrum unter Abspaltung von meist einem Anion und Ausbildung einer positiven Ladung angreift. (Vgl. Teilschritte der Imin-Bildung, Veresterung)
LösungDie Ether und Thioether wurden oben an folgenden Punkten verglichen:
Darstellung:
Ether werden über die Williamson’sche Ethersynthese dargestellt. Dabei reagieren ein Alkoholat $(R-O^-)$ und ein Alkylhalogenid $(R-X)$ miteinander. Im ersten Schritt greift das Alkoholat-Ion nucleophil auf das Kohlenstoffatom neben dem Halogenatom an. Das C-Atom trägt an dieser Position eine partiell positive Ladung, weil das Halogenatom wegen seiner hohen Elektronegativität das bindende Elektronenpaar zu sich zieht. Damit der Kohlenstoff nicht fünfbindig ist, wird das Halogenid-Ion abgespalten $(X^-)$. (Denke immer an den Ladungserhalt: Wenn ein negatives Teilchen (Alkoholat) an ein neutrales Molekül angreift, so muss bei den Produkten auch mindestens eine negative Ladung vorliegen.)
Die Sulfide werden durch eine analoge Reaktion aus Thiolaten ($R-S^-$) und Alkylhalogeniden (R-X) gebildet.
Reaktionen:
Ether können nur unter Zerstörung des Kohlenstoffgerüsts oxidiert werden, da der Sauerstoff nur die Oxidationsstufen -2, -1 und $\pm$ 0 freiwillig annimmt.
Die Sulfide können weiter oxidiert werden, da beim Schwefel die sogenannte Oktettaufweitung möglich ist. Da sich Oxide bilden und Sauerstoff die größere Elektronegativität hat, werden die Bindungselektronen nun diesem zugewiesen. Es ergeben sich als Produkte: Sulfoxide $(R_1-\overset{+2}S(=O)-R_2)$ und Sulfone $(R_1-\overset{+4}SO_2-R_2)$.
Thioether bilden mit Halogenalkanen und Halogenen salzartige Addukte (Mechanismus wie bei Williamson). Ether hingegen sind zu reaktionsträge und reagieren nicht mit Halogenalkanen. Deswegen können sie darin gelöst werden.
Elektronegativität
Die Ethergruppe ist wegen der hohen Elektronegativität vom Sauerstoff (3,5) polar. Deswegen können Wasserstoffbrückenbindungen ausgebildet werden.
Viele Sulfide hingegen zersetzen sich im Wasser in Schwefeloxide, Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoffmonoxid.
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Beschreibe, warum Ethanthiol acider ist als Ethanol.
TippsDie Acidität ist abhängig von der Atomgröße.
LösungDie Acidität vom Alkanthiolat ist höher als die vom Alkanolat, weil die Elektronendichte beim Schwefel-Anion über einen größeren Raum delokalisiert ist als beim Sauerstoff-Anion (s. Grafik: unterschiedlich große Potentialoberflächen).
Diese Begründungen sind die Anfänge des Pearson-Konzepts. Dieses betrachtet Säuren und Basen sowie die Atome als harte und weiche Säuren und Basen. Das sogenannte HSAB-Konzept (hard and soft acid and bases) vergleicht die Ladung in Relation zum Atom, das diese Ladung trägt.
- Das Alkanthiolat-Anion trägt die einfach negative Ladung am Schwefelatom. Das Schwefelatom ist bezogen auf die kleine Ladung relativ groß. Deswegen ist es ein weiches Teilchen.
- Das Proton hingegen trägt ebenfalls eine Ladung, eine einfach positive Ladung, welche nur auf einem kleinen Atomradius verteilt ist. Deswegen ist ein Proton ein hartes Ion.
- Das Sauerstoff-Anion ist bezogen auf die kleine einfach negative Ladung auch relativ klein und deswegen ebenfalls ein hartes Teilchen.
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Bestimme das Reaktionsprodukt bei einer Oxidation von Cystein.
TippsBei der Oxidation der Aminosäure wird Wasserstoff frei.
Durch das Ergebnis wird die Tertiärstruktur von Proteinen stabilisiert.
LösungDie oxidative Verknüpfung von zwei schwefelhaltigen Aminosäuren (von zwei Thiolen) führt zur Ausbildung von Disulfidbrücken, was eine Verknüpfung von zwei Schwefelatomen ist (wie im Peroxid). Die Disulfidbindung stabilisiert die dreidimensionale Peptidstruktur (Tertiärstruktur) durch die Ausbildung von Schlaufen innerhalb der Molekülkette. (s. Abbildung)
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