Alexandra David-Neel in Tibet – Es war einmal Abenteurer und Entdecker (Folge 23)
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Grundlagen zum Thema Alexandra David-Neel in Tibet – Es war einmal Abenteurer und Entdecker (Folge 23)
Bereits während ihres Studiums interessiert sich die junge Französin Alexandra David-Neel für Tibet und den Himalaya. Der "Orientalismus" ist im ausgehenden 19. Jahrhundert sehr in Mode. Im Alter von 45. Jahren faßt Alexandra den kühnen Entschluß, nach Lhasa, der "Stadt der Heiligen Bücher" zu reisen. Als Bettlerin verkleidet erreicht sie in Begleitung eines jungen Lama unerkannt die tibetanische Hauptstadt und ist die erste europäische Frau, die Lhasa betritt...
Transkript Alexandra David-Neel in Tibet – Es war einmal Abenteurer und Entdecker (Folge 23)
Volle Kraft voraus. Segel in den Wind, unsere Fahrt beginnt in die Welt hinaus. Suchen neues Land, fern und unbekannt. Wir Entdecker fahren weit, fürchten weder Raum noch Zeit. Immer geradeaus den Blick. Weichen nie zurück, suchen nur das Glück. Volle Kraft voraus. Über das Meer fahren wir daher, keiner hält uns auf. Trotzen selbst dem Wind, denn wer wagt, gewinnt. Wir Entdecker sind bereit, finden Land zu jeder Zeit. Das ist, was uns gefällt, die Welt. Volle Kraft voraus. Auf dem Ozean lauern die Gefahren, das macht uns nichts aus. Denn wir folgen nur unserer Träume Spur. Wir Entdecker wagen viel und erreichen unser Ziel, wissen wir auch nie bestimmt, wer das Spiel gewinnt, was das Leben bringt. Volle Kraft voraus. Alle Mann an Bord, denn wir fahren fort in die Welt hinaus. Neue Ufer sehen, das ist wunderschön. Wir Entdecker laden ein, uns zu folgen. Steigt jetzt ein, denn die große Fahrt beginnt. Es war einmal eine Französin namens Alexandra David-Neel, die reiste von Kalkutta in Indien nach Tibet. Sie wollte nach Lhasa, in die heilige Stadt der Tibeter. „Das ist der Fluss Tista. Um nach Kalimpong zu kommen, müssen wir ihn überqueren. Es ist nicht ungefährlich.” „Wir gehen weiter.” „Oh.” „Oh.” „Schneller! Flinke Füße. Beeilt euch! Na los, hoch mit dem Spitzohr, los, los, los! Beweg dich.! „Sie zuerst.” „Mhm.” „Oh.” „Keine Angst, mir ist nichts passiert.” „Ja, weiter so, Madame David-Neel. Das ist wirklich eine abenteuerliche Reise mit Ihnen.” „Oh.” „Danke.” „Ah, Madame David-Neel, ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Ich bin Prinz Kumar. Ich heiße Sie willkommen in Sikkim. Sie interessieren sich für unsere Geschichte? Seit dem 17. Jahrhundert sind alle Herrscher Sikkims hier in Tibet geboren. Und so sind wir alle eben Buddhisten.” „Ich möchte meine Kenntnisse über Ihr Land vertiefen und interessiere mich für Ihre Lebensweisheiten.” „Im Herzen Tibets liegen die Wurzeln unserer Kultur. Aber man kann dort nicht hinreisen. Krieg überzieht das Land. Doch um Ihre Neugier zu befriedigen, gibt es da ein Kloster an der Nordgrenze unseres Landes. Es wird von einem ehrwürdigen Lama geleitet.” „Ob er mich empfangen wird?” „Aber natürlich, ich begleite Sie.” „Die Landschaft ist einfach fantastisch.” „Sehen Sie? Das Kloster. Der Lama verbringt den größten Teil des Jahres in völliger Abgeschiedenheit. Er verlässt diesen Ort nur sehr selten. Vergessen Sie die Grundregel nicht: Das Gute würde es nicht geben, wenn nicht das Böse wäre. Verehrter Lama, hier ist eine Frau aus Europa. Sie hat sich bereits auf den Weg der Erkenntnis gemacht, aber sie muss noch viel lernen.” „Glauben Sie, dass alles, was Sie hier sehen, die Wahrheit ist?” „Ich sehe nur äußerliche Dinge. Danach kann man die Wahrheit nicht beurteilen.” „Genau. Es ist nichts anderes als Illusion, geschaffen für diejenigen, die noch nicht verstehen. Die Erleuchtung ist in uns. Jeder ist eine Ganzheit” „So wie Tag und Nacht, wie Leben und Tod. Sie gehören zusammen und sind nur scheinbar Gegensätze.” „Sie sind schon taghell erleuchtet. Man braucht schon eine Sonnenbrille. Ich habe noch nie eine fremde Frau gesehen, die unsere Religion so gut versteht. Deshalb sind wir uns auch begegnet. Reisen Sie weiter und kommen Sie recht bald wieder. „Mit diesem Schal sind Sie geehrt worden. Es ist eine Segnung. Offenbar haben Sie ihm gefallen. Ich muss jetzt zurück und auch Ihr Geleitschutz wird Sie hier verlassen. Ich habe mir erlaubt, einen Betreuer für Sie auszuwählen, Sie werden ihn brauchen. Ein vertrauenswürdiger, junger Mann, er heißt Aphur Yongden.” „Sehr erfreut. Wie weise dieser Mönch war. Wenn ich doch auch nur einmal nach Tibet könnte.” „Ihr werdet sehen, es wird ihr eines Tages gelingen trotz aller Hindernisse. Denn wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg. Vor allem, wenn der Berg nicht zum Propheten kommt.” „Entschließe dich für eine Lebensform, der du sowohl allein als auch im Kreise anderer gerecht wirst.” Zu Beginn des 20. Jahrhunderts interessierte man sich immer mehr für die Kulturen Asiens. Alexandra konnte schon mit 20 Jahren Chinesisch sprechen und lesen. Da sie als Frau aus Europa nicht nach Tibet durfte, reiste sie tausende von Kilometern nach Nepal. Dort begab sie sich an die Stelle, an der Buddha seine Erleuchtung hatte. Niemals zuvor hatte ein Mensch aus dem Westen dies getan. „Ich werde sterben. Ist das so wichtig? Im Grunde ist das ganze Leben nur ein Traum. Sehr schön, hier werden wir bleiben. Wir müssen nur unsere Vorräte auffrischen.” „Das sind Fremde. Empfangen wir sie, wie es sich gehört. Ich heiße euch willkommen, ihr Fremdlinge.” „Gibt es hier keine Männer? Sagen Sie, wo sind die Männer in diesem Dorf?” „Ehrwürdige Fremde, sie sind auf Reisen. Sie tauschen oder verkaufen unsere Waren und bringen andere mit.” „Alle Männer?” „Ja, bis auf die Kinder und Greise und die Würdenträger natürlich.” „Richten Sie Ihren Freunden bitte aus, dass ich ein paar Holzfäller brauche, um Brennholz zu schlagen. Ich bezahle sehr gut. Also los, der Stapel soll so hoch sein.” „Oh.” „Sie müssen sich an unsere Spielregeln halten. Nur der Dorfrat darf Arbeit vergeben und nur er darf die Arbeiter bestimmen. Merken Sie sich gut, dass der Lohn für die Arbeit der Gemeinschaft zugute kommt. Er kommt in die Dorfkasse.” „Also ich brauche Kartoffeln, so etwa 30 Sack.” „Und bitte nur große, die sind leichter zu schälen.Hier.” „ Danke.” „Schönen Tag noch.” „Nach unseren Gesetzen darf niemand bevorzugt werden. Es gibt immer kleine, mittlere und große Kartoffeln. Und sie sind für alle da: für die Kleinen, Mittleren und Großen.” „Da außerdem niemand bevorzugt werden darf, müssen nicht nur einige Wenige…” „...sondern alle anderen Dorfbewohner kleine, mittlere und große Kartoffeln liefern.” „Das Geld werden wir einsacken. Für die Gemeinschaft, für die Dorfkasse.” „Heute gibt es ein Festessen. Was halten Sie davon?” „Die Feste sind leider nicht für uns Frauen. Das war schon immer so, das ist hier so Brauch.” „Dann organisiere ich eben ein Festessen nur für die Frauen. Sagen Sie das den anderen.” „Was Sie den Frauen vorgeschlagen haben, widerspricht den guten Sitten und Gebräuchen. Eigentlich kommt das gar nicht in die Tüte. Aber der Dorfrat hat beschlossen, für Sie mal eine Ausnahme zu machen. Sie organisieren ein Festessen für uns und ausnahmsweise dürfen auch die Frauen dabei sein.” „Oh. Oh nein, die schon wieder.” „Sie haben diesen Hund bei den Tendup gekauft? Warum dort?” „Ganz einfach, weil wir einen Wachhund brauchen. Und weil die Tendup den richtigen hatten.” „Ich habe Ihnen aber doch schon gesagt, dass hier niemand bevorzugt werden darf. Sie hätten uns zuerst fragen müssen.” „Sie hätten uns einen Hund von jeder Familie besorgt?” „ Nein, nein, nein, nein, nein, so viele haben wir gar nicht. Wir haben höchstens 40.” Alexandra hatte die Nase voll. „Wenn wir nicht abgereist wären, hätten wir jetzt 40 Hunde. Unglaublich.” Alexandra war wieder in Latscheng. „Nicht zu fassen, gerade habe ich vom Lama geträumt und schon lädt er mich ein, ihn zu besuchen.” „Der Eremit erweist Ihnen eine große Ehre, indem er Ihnen seinen Wunsch nach einem Wiedersehen mitteilt. Die Einsiedelei des Lama liegt in einer Höhe von 4000 Metern. Um dorthin zu kommen, brauchen Sie ein gutes Pferd.” „Wie bitte, Sie wollen ein Pferd für das Gebirge?” „Ja.” „Folgen Sie mir. Das ist mein bestes Pferd.” „Das werden wir ja gleich sehen. Oh.” „Kaum zu glauben, dabei ist es sonst lammfromm. Sehen Sie nur. Oh. Ich sage es ja, lammfromm.” „Das ist wahr. Ich kenne dieses Pferd. Es war zahmer als zahm.” „Die Fremde ist schuld, sie ist als Buddhistin verkleidet, aber in Wirklichkeit ist sie eine Christin, die unseren Glauben unterwandern will.” „Offensichtlich will sie in die Einsiedelei des Lama.” „Der Eremit ist schuld, er ist total neben der Kappe. Deswegen scheut das Pferd. „Sind sie die Lamafrau? Mein Herr, der Lama, schickt Ihnen diese Stute. Sie kennt den Weg genau, sie führt Sie direkt ans Ziel.” „Geht zurück, wo Ihr herkommt, Fremde, wir wollen euch hier nicht haben.” „Ja, ja, verschwindet, aber schnell.” „Nur Gewalt kann sie beeindrucken. Soll ich zuschlagen?” „Wenn wir es nicht tun, dann tun sie es. Also mach schon, aber nicht zu fest.” „Der hat gesessen.” „Aua, autsch.” „Lass mein Schlafittchen los.” „Uiuiui.” „Noch einen Schritt und es knallt!” „Hilfe, weg hier.” „Oh, sehen Sie mal da.” „Ein herzliches Willkommen. Anscheinend hatten Sie auf Ihrer Reise ein paar Schwierigkeiten. Ja, das hatte ich befürchtet. Aber nun ist ja alles in Ordnung, wir sind gleich da. Folgen Sie mir bitte. Hier müssen Sie sich jetzt eine Hütte bauen.” „ Ich werde die Leute aus dem Dorf bitten, mir zu helfen. Jetzt bin ich Hausbesitzerin im Himalaya. Ist das nicht klasse? Es ist Zeit, gehen wir zu unserem Einsiedler.” „Setzen Sie sich. Wie die Zeit vergeht. Schon vor 20 Jahren habe ich mich vor der Welt hierher zurückgezogen. Die Meditation verträgt sich nicht gut mit Menschenmengen. Allein auf einem Berg auf dem nackten Felsen ist man frei und furchtlos, größer als ein Fürst. Damit Sie Tibet verstehen können, werde ich Ihnen zuerst unsere Sprache beibringen. Dies hier heißt Tschindau.” „ Es ist wichtig, die Atmung zu beherrschen.Wir träumen die Welt nur, unsere Gedanken erschaffen den Schein jeden Augenblick neu. Nur durch ständige Aufmerksamkeit versinken wir nicht darin.” „Ja, ich pflichte Ihnen bei. Denn Buddha, der Erleuchtete, hat selbst gesagt, dass die Erkenntnis nur von innen heraus kommt.” „Der Anfang war schon sehr gut. Mit deiner inneren Erleuchtung sollst du den anderen jetzt Führung im Dunkel sein. Du heißt jetzt Lampe der Weisheit und du, Yongden, Ozean des Mitgefühls. Es ist Zeit für euch, Tibet kennenzulernen.” „ Alexandra David-Neel, wir teilen Ihnen hiermit Ihre Ausweisung mit. Es ist Krieg und der den König vertretende Gouverneur hat die Anwesenheit von Zivilisten in dieser Gegend verboten.” „Wir wissen, dass Sie heimlich nach Tibet schleichen wollen, aber das ist streng verboten.” Tja, so kurz vor dem Ziel musste sie leider umkehren. Alexandra David-Neel konnte das aber nicht aufhalten. Sie wusste genau, wo sie hin wollte, und machte sich auf den Weg nach Kalkutta. „Alexandra, das ist ja toll, was Sie so alles erlebt haben. Sehen Sie doch, was für eine geistige Kraft diese frommen Männer brauchen, um auf alles verzichten zu können.” „Du weißt, was zu tun ist. Trauen Sie nicht immer gleich dem äußeren Schein. Mal sehen, ob dieser Mann wirklich auf alles verzichtet. Besonders auf das schnöde Geld.” „He. Haltet den Dieb. Haltet den Dieb.” „Aber…” Von Kalkutta aus reiste sie nach Birma, Malaysia und Japan, Korea, China und schließlich in die Mongolei. Dann überschritt sie unbemerkt die Grenze nach Tibet, endlich. „Wir gehen zuerst in das Kloster Kumbum. Man hat mir gesagt, dort gebe es eine Bibliothek mit vielen alten Texten.” „Dort leben 3500 Mönche, das ist fast eine richtige Stadt.” „Gehen wir.” „Sehen Sie doch, das ist der Herr von Kumbum. Er wird einmal ein großer Lama werden, aber er ist noch zu jung, um zu regieren. Und das da ist die gegenwärtige Chefmütze.” Alexandra verbrachte 18 Monate in Kumbum. Sie studierte die alten Texte zusammen mit den gelehrtesten Gelehrten des Landes. Sie wurde sogar in den Rang eines Groß Lamas erhoben. „Ich werde mich dieser Ehre würdig erweisen und versuche, die von euch empfangene Weisheit weiterzugeben. Ich würde jetzt gerne nach Lhasa reisen.” „In die Hauptstadt? Daran ist gar nicht zu denken. Es ist eine verbotene Stadt, vor allem für Frauen.” „Und Sie müssten durch Gegenden reisen, in denen Krieg und Seuchen wüten wie die Pest und die Cholera.” „Ich bin bis hierher gekommen, also werde ich auch nach Lhasa reisen.” „Nehmen Sie wenigstens ein paar Männer mit, das ist etwas sicherer.” „Ich schlage vor, wir verraten nichts über unser Ziel. Die Leute sind sehr abergläubisch. Sie hätten Angst, dass die Götter Katastrophen schicken werden, um uns von unserem Vorhaben abzuhalten Lhasa zu erreichen. „Macht Platz!” „Ihr müsst Platz machen.” „Na los, verschwindet endlich.” „Kommt nicht in Frage, wir haben über 100 Kamele und ihr habt nur ein paar Maulesel.” „Er hat selbstverständlich Recht, aber wir können uns auf keinen Fall erlauben, unser Gesicht zu verlieren. Wir werden die Forderung der Mongolen nicht erfüllen. Das würden uns unsere Leute nie verzeihen.” „Also dann, zurück mit euch.” „Was? Wie? Wo?” „Ihr geht zurück, und zwar schnell.” „Wir haben keine Angst, wir haben auch Gewehre.” „Platz da. Los, macht endlich Platz.” „Habt ihr gesehen? Sie trägt das Gewand eines Lamas. So etwas kommt bestimmt nicht von ungefähr.” „Du hast Recht. Wir lassen sie lieber vorbei.” „Hier schlagen wir unser Nachtlager auf. Tobigal, tust du mir bitte einen Gefallen? Hol etwas Wasser für uns.” „Sie kommen näher. Deckung.Duck dich, du dummer Dummkopf. Die Rübe runter, los, Pfeife.” „ Au.” „Da drüben, da drüben, da sind ganz böse Räuber.” „Sieh bloß nicht hin. Wir tun so, als hätten wir nichts bemerkt. Sagt den anderen, sie sollen das Gepäck wieder aufladen. Und du gehst zu meinem Maulesel und holst meine Pistole. Wieso hast du nicht auch gleich die Kekse mitgebracht? Dann hätten wir die Räuber zum Tee einladen können.” „Die lachen ja, Chef. Die haben keine Angst.” „So, so, dann zeigen wir diesen Lachsäcken mal, was Sache ist. Zum Angriff. Auf sie mit Gebrüll.” „Sie hauen ab, Chef.” „ He, kommt zurück. Wir wollen euch überfallen. Sie haben uns ausgelacht, ich werde mich beim Räuber Rat beschweren.” „Oh. Aus dem Weg, beeilt euch.” „ Danke und Tschüss.” „Vielleicht können wir hier eine Nacht schlafen.” „Entschuldigt, meine Herrin, eine große Dame Lama, sucht eine Unterkunft für eine Nacht.” „Es ist uns eine Freude, euch bei uns aufzunehmen.” „Darf ich euch etwas Tee mit Yak-Butter anbieten?” „Aber gern.” „So, fertig. Ihr könnt schon mal Platz nehmen. Ich kümmere mich um das Feuer.” „Bitte.” „Mh, das riecht gut.” „Wenn Sie wirklich eine Dame Lama sind, dann müssen Sie große Heilkräfte haben. Morgen werden sicher viele Dorfbewohner kommen. Stört Sie das?” „ Aber keineswegs, ganz im Gegenteil.” „Ruht euch jetzt aus, ihr seid bestimmt müde. Und immer schön den Tee schlürfen.” „Habt ihr Hunger?” „Endlich etwas zum Spachteln.” „Unsere Herrin empfängt heute das ganze Dorf, um seine Bewohner zu sehen. Und die Dorfbewohner danken es ihr mit dem, was sie haben. Noch ein bisschen Hammelfleisch?” „Ich muss eine lange und gefährliche Reise unternehmen. Hast du nicht einen Talisman, der mich vor Unglück schützen kann?” „Kongyong, hier ist ein Songdu, der jedes Unglück von dir fernhält.” „ch habe viel Arbeit und muss mich um meine Kinder kümmern. Aber es sitzt ein Teufel in meinem Kopf und schmerzt. Es tut so fürchterlich weh.” „Zering Rilbu, die Pille des Lebens. Damit vertreibst du den Teufel in deinem Kopf und hast keine Schmerzen mehr.” „Können Sie mir sagen, was aus meinem verstorbenen Vater geworden ist? Hatte er eine glückliche Wiedergeburt?” „Lassen Sie mich kurz allein, dann kann ich Ihnen mehr sagen.Ihr Vater ist wieder auf die Welt gekommen als Sohn eines reichen Kaufmanns. Grämen Sie sich nicht mehr, seine neue Familie liebt ihn sehr und er lebt im Wohlstand.” „ Halt, wo wollt ihr hin?” „Meine Herrin, Lampe der Weisheit, die ehrwürdige Dame Lama und ich, wir sind auf dem Weg in die Hauptstadt, nach Lhasa.” „Unmöglich, dort herrscht Krieg. Ihr könnt da nicht hin.” „Wir haben den ganzen Winter hier verbracht, mir reicht es. Ich will weiter.” „Gut, aber wie? Die Tibeter weigern sich mit aller Macht, uns auf chinesisches Gebiet zu lassen. Und die Chinesen blockieren den Zugang zu den tibetischen Gebieten.” „Man lässt uns deshalb nicht durch, weil man mir ansieht, wo ich herkomme. Glaubst du, man würde uns aufhalten, wenn wir nur einfache Bettler wären?” „Gut, wie Sie meinen. Aber trotz Ihrer Lama-Kleidung bleiben Sie Europäerin.” „Kein Problem, wir ziehen die Lama-Kleidung aus und verzichten auf Geleitschutz und auf Maulesel. Ich habe eine Idee. Na, was ist? Sehe ich jetzt wie eine Bikuni aus oder eher wie eine Bettelnonne?” „Oioioioioi.” „So wird mich niemand erkennen, ich bin deine alte Mutter. Bist du zu deinem letzten Stück Weg bereit, mein Sohn?” „Ich folge Ihnen auf Schritt und Tritt.” Alexandra versuchte also noch einmal unter noch schwierigeren Bedingungen ihr Glück. Sie machte einen großen Umweg durch die chinesische Provinz Yunnan, überquerte erneut den Mekong, dann verschwand sie spurlos vier Monate lang. „Sieh, da vorn, Yongden.” „Lhasa.” „Nicht so schnell.” „Ja natürlich, aber erst nächste Woche.” „Herrlich.” „ Achtung.” „Und was machen wir jetzt?” „Nichts weiter. Die berühmtesten Lamas von Tibet habe ich schon getroffen. Ich bin nur nach Lhasa gekommen, weil man mich unbedingt daran hindern wollte. Vergiss nie: Geh dorthin, wo dein Herz und der Blick deiner Augen dich hinführen. Jetzt fahre ich nach Hause. Begleitest du mich nach Europa? Du wirst dort wie mein Sohn leben.” „Mein Herz sagt mir, ich soll Ihnen folgen, Lampe der Weisheit.” „Vierzehn Jahre war ich fort, obwohl ich doch nur ein oder zwei Jahre unterwegs sein wollte. Jetzt bin ich 60 Jahre alt. Yongden, ich müsste 100 Jahre alt werden, um alles zu erzählen, was ich erlebt habe.” Sie wusste nicht, wie Recht sie hatte. Alexandra David-Neel schrieb in mehreren Romanen ihre Abenteuer nieder. Um die mitgebrachten heiligen Texte zu übersetzen, benötigte sie viele, viele Jahre. 1937 fuhr sie wieder nach Asien und blieb neun Jahre lang, doch das lag am Zweiten Weltkrieg. Nach ihrer Rückkehr schrieb sie bis zu ihrem Tod elf Bücher über das geheimnisvolle Tibet, über das Land, die Leute und über die Kultur. Diese unglaubliche Frau beantragte noch mit 100 Jahren einen neuen Reisepass. Wofür sie den wohl brauchte? Volle Kraft voraus. Über das wilde Meer fahren wir daher in die Welt hinaus. Suchen neues Land, fern und unbekannt. Wir Entdecker fahren weit, fürchten weder Raum noch Zeit, immer geradeaus den Blick. Weichen nie zurück, suchen nur das Glück. Volle Kraft voraus. Die Geschichte hier ist, ich sage dir, lange noch nicht aus. Denn wir folgen nur unserer Träume Spur. Eine neue Welt entsteht, wenn das Leben weitergeht. Denn Entdecken ist schön, so schön.
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