27.02.2014
Von logisch bis kreativ-chaotisch: Die Vier Lern-Persönlichkeiten
Kopfrechnen oder bunt unterstreichen: Was das Lernverhalten von Schülern mit ihrer Persönlichkeit zu tun hat. Die vier Lern-Persönlichkeiten – Stephan Bayer von sofatutor.com erklärt, woran man sie erkennt und wie man sie am besten nutzt.
Berlin, 27. Februar 2014 – Jeder Mensch hat eine andere Herangehensweise an das Lernen. Welchen individuellen Lernstil ein jeder für sich prägt, hängt mit der Persönlichkeit zusammen – und so werden im Umkehrschluss durch die Betrachtung des Lernverhaltens auch verschiedene Facetten unserer Persönlichkeit sichtbar. Man unterscheidet hierbei vier Lerner-Persönlichkeiten, die spontan unterschiedlich an die Lösung von Aufgaben und Problemsituationen herangehen: der logische Lerner, der kreativ-chaotische Lerner, der sicherheitsliebende Lerner und der emotionale Lerner.
Anhand der unterschiedlichen Lern-Persönlichkeiten lassen sich Abneigungen und Motivationen erklären und begründen. Warum gibt es bei einem Schüler eine große Abneigung gegen das Fach Mathematik, während ein anderer ohne Probleme und sehr schnell strukturelle Zusammenhänge erkennt? Wann treten Gefühle der Langeweile, Ermüdung oder genereller Überforderung auf – und wie kann man diesen begegnen? Hierbei kann sich eine Betrachtung der nachfolgenden Lern-Persönlichkeiten als sehr hilfreich erweisen. Denn die gezielte Aktivierung schwächerer Lern-Persönlichkeiten, auf die nicht spontan zugegriffen wird, lässt sich durch innere und äußere Anweisung erlernen.
Der logische Lerner
Der logische Lerner denkt abstrakt, liebt die Struktur und mag logische Zusammenhänge. Fakten kann er sich gut merken und seine Rechtschreibung ist sehr gut – logisch, denn sie besteht aus klar definierten und nachvollziehbaren Regeln. Logische Lerner schwafeln nicht lange, sondern drücken sich kurz und knapp aus. Sie besitzen viel Ehrgeiz, der besonders durch Wettstreit und Konkurrenz entfacht wird. Geraten sie in Stress, rasten sie auch mal aus, werden ungeduldig und herrisch. Schuld sind dann vor allem die anderen.
Logische Lerner schreiben nicht so gerne Aufsätze über das schönste Ferienerlebnis, machen einen großen Bogen um Gedichte, verdrehen die Augen bei Gruppenarbeiten oder Rollenspielen. Durch ihren emphatischen Mangel ist es wichtig, logischen Lernern Regeln des sozialen Miteinanders klar zu machen und ihnen ihr Verhalten regelmäßig zu spiegeln. Logische Lerner stellen hohe Ansprüche an sich selbst und die Qualität ihrer Arbeit. Für Lehrkräfte oder Eltern ist es wichtig, darauf zu achten, dass sich diese Schüler nicht durch ihre eigenen, immer größer werdenden Ansprüche selbst demotivieren.
Unterstützen kann man logische Lerner, indem man ihnen beibringt, anderen in Ruhe zuzuhören, die Meinungen anderer zuzulassen und Geduld aufzubringen für Mitschüler, die mehr Informationen zum Verständnis eines Sachverhaltes brauchen als sie selbst.
Der kreativ-chaotische Lerner
Kreativ-chaotische Lerner nehmen hauptsächlich mit den Augen wahr und können Texte ganz wunderbar in Skizzen umwandeln. Sie sind außerdem gute Rechtschreiber, haben eine kreative Ader und eine ausgeprägte Phantasie. Mündliche Mitarbeit ist garantiert, auch wenn sie gerne mal reden, ohne vorher allzu lange darüber nachzudenken. Sie liegen deshalb oft daneben. Kreativ-chaotische Lerner spielen gerne, sind gesellig und fühlen sich wohl, wenn um sie herum alles harmonisch zugeht. Ihr Schreibtisch gleicht einem Schlachtfeld. Sie sind chaotisch, arbeiten oft auf den letzten Drücker, kommen zu spät, vergessen und verbummeln Dinge und sind Meister im Eselsohren-Knicken und dem Führen von losen Blättersammlungen. Kreativ-chaotische Lerner bauen sehr viele Spannungskurven in ihre Aufsätze ein und wenig Struktur. Ihr Motto: Wie wenig muss ich tun, um möglichst viel Erfolg zu haben? Unter Stress verlieren sie den Überblick, erstarren erst einmal zur Salzsäule, werden noch unordentlicher und machen die banalsten Flüchtigkeitsfehler. Haben sie jedoch Spaß, viel Abwechslung und immer wieder neue Aufgaben, werden sie unschlagbar. Verjagen kann man kreativ-chaotische Lerner mit Detailverliebtheit, immer gleichen und festen Abläufen, dem Evergreen-Thema “Aufräumen” und wenn sie sich nicht gemocht fühlt.
Kreativ-chaotische Lerner müssen lernen, aufmerksamer zu sein, den Wunsch des Lehrers nach Ruhe zu respektieren und beim Lernen präziser zu werden. Helfen kann hierbei das Führen eines Hausaufgabenhefts und das bewusste “Feiern” erledigter Aufgaben.
Der sicherheitsliebende Lerner
Sicherheitsliebende Lerner sind fleißig, gute Auswendiglerner und neigen zu Problemen in der Rechtschreibung, z. B. mit dem Dehnungs-h, weil sie nach Gehör schreiben und sich Wörter nicht visuell vorstellen. Zum Lernen brauchen sie Ruhe, sie arbeiten strukturiert und Mitarbeit im Unterricht ist nicht unbedingt ihr Ding, obwohl sie viel wissen. Das liegt daran, dass sie sehr sicherheitsbedürftig sind und sich nur melden, wenn sie eine Frage zu 100% richtig beantworten können. Farben und Skizzen finden sie eher unnütz, dafür nehmen sie sich viel Zeit, alles gründlich zu durchdenken. Stresst man sicherheitsliebende Lerner, können sie sich in Details verlieren, werden langsam und perfektionistisch sowie ängstlich. Gefühle beschreiben ist nicht so ihre Welt. Sie schütteln den Kopf bei Lärm, Unruhe, Zeitdruck und Gruppenarbeit und sie stehen nicht gerne im Mittelpunkt. Da sicherheitsliebende Lerner hauptsächlich auswendig und der Reihe nach lernen, ist es wichtig, hier öfter inhaltlich nachzuhaken. Z. B. lernen sie das Einmaleins fleißig und schnell, können aber nicht auf Anhieb sagen, was sechs mal acht ist, ohne die Reihe vorher abzuzählen.
Sicherheitsliebende Lerner kann man unterstützen, indem man sie ermutigt, sich häufiger im Unterricht zu melden und von ihnen verlangt, Aufgaben in eigenen Worten zu erklären sowie Visualisierungen und Lerngeschwindingkeit zu trainieren.
Der emotionale Lerner
Emotionale Lerner sind impulsiv und haben es nicht so mit logischen Zusammenhängen. Sie lernen gern, indem sie mit anderen über Dinge sprechen. Ihre Rechtschreibung ist nicht die beste, Zeichensetzung nicht ausgenommen. Emotionale Lerner müssen sich wohlfühlen und suchen Geborgenheit. Wer einen Moderator für die nächste Gruppenarbeit sucht, wählt einen emotionalen Lerner, der kann das. Farben sehen schön aus und werden ausgiebig eingesetzt, Schulhefte von emotionalen Lernern sind häufig eigene Kunstwerke, verziert und bemalt. Emotionale Lerner basteln gerne und mögen Rollenspiele. Unter Stress zeigen sie starke Gefühlsregungen und machen sich Selbstvorwürfe. Sie wollen es allen Recht machen und ihre Gefühle mitteilen. Sie haben kein Verständnis für den Gebrauch von Fach- oder Fremdwörtern, finden Distanz in all ihren Ausführungen weniger gut und lernen nicht gern alleine. Logische Fächer, wie Mathematik, gehören nicht zu ihren Stärken. Das liegt daran, dass sie die innere Logik von z. B. Mathematik und Grammatik nicht erkennen. Im Frontalunterricht fällt es ihnen schwer, Fakten nur rezipierend aufzunehmen und einzuordnen – und dessen sind sie sich bewusst. Emotionale Lerner haben deshalb oft ein deutliches Versagens- und geringes Selbstwertgefühl. Das abstrakt-logische Denken ist ihnen, obwohl sie es wie jeder andere können, spontan fremd. Sie müssen erst lernen, es anzuwenden.
Emotionalen Lernern hilft man, indem man ihnen ihre Erfolge aufzeigt, da sie selbst sehr schwächenfixiert sind. Sie sollten mit einem Lernpartner zusammenarbeiten, Fachbegriffe üben, gestellte Aufgaben erst durchlesen und danach mit eigenen Worten zusammenfassen. Auch sollten sie Grundaussagen eines Textes wiedergeben und nicht nur Sätze farbig unterstreichen. Am besten setzt man emotionale Lerner in die vorderen Reihen eines Klassenzimmers.
Jede dieser Lern-Persönlichkeiten ist in jedem Menschen vorhanden – doch jeweils in einer anderen Zusammensetzung, die man sich vorstellen kann wie einen Cocktail: Alle Zutaten sind vorhanden, doch die Mischung macht’s. Auch wenn ein Mensch dominant kreativ-chaotische Lerner ist, ist er in der Lage, auf jede der anderen Lern-Persönlichkeiten zurückzugreifen, wenn diese von ihm verlangt oder erwartet wird. So kann der logisch veranlagte Mensch auch kreative Kunsttechniken umsetzen. Dies fordert von ihm allerdings viel mehr körperliche und psychische Energie, als es beim emotionalen Lerner der Fall wäre. Andersherum muss sich ein kreativer Mensch in der Mathematik viel mehr anstrengen, da das logische Denken nicht seiner vorherrschenden Lern-Persönlichkeit entspricht. Das wirkt sich z. B. deutlich auf die Konzentrationsspanne aus, die durch die Anstrengung verkürzt wird.
Beim Betrachten der unterschiedlichen Lern-Persönlichkeiten geht es vor allem darum, zu erkennen, welche Stärken und Schwächen die Schüler aufgrund ihrer Persönlichkeit besitzen. Stärken können so individuell gefördert und Schwächen unter Berücksichtigung des Lernverhaltens ausgeglichen werden. “Im besten Fall ist es möglich, einem Kind beizubringen, entsprechend der Anforderung auf jede seiner Lern-Persönlichkeiten zurückgreifen zu können, egal wie stark ausgeprägt diese ist. So kann es unterschiedlichste Lernsituationen erfolgreich bewältigen”, erklärt der Lernexperte Stephan Bayer, Gründer und Geschäftsführer von sofatutor.com. “Nicht zu verwechseln sind hierbei jedoch die Begriffe ‘Lernverhalten’ und ‘Intelligenz’. Denn das Lernverhalten hat mit der kognitiven Intelligenz erstmal nichts zu tun, sondern gibt nur Einblick darüber, auf welche Weise ein Schüler spontan Aufgaben und Probleme zu lösen versucht”, so Bayer weiter.
Lern-Persönlichkeiten sind nicht unveränderlich und entwickelt sich im Laufe des Lebens, da man lernt, sich Situationen anzupassen. Je früher desto, besser – und dies geschieht durch bewusste Aktivierung.